: Ein Denkmal für Rosa
■ „Transsexuell – Die Befreiung aus dem falschen Körper“. Wie aus einem Themenabend eine unkritische Von-Praunheim-Hommage wurde; arte, 21.45 Uhr
Der heutige Themenabend des französisch-deutschen Kultursenders ist irrtümlich betitelt. Die Überschrift „Transsexuell – die Befreiung aus dem falschen Körper“ tut so, als würden wir mehrere Stunden lang mt dem Schicksal im einzelnen und Informationen im besonderen über Geschlechtsumwandlungen konfrontiert. Wann muß man annehmen, selbst das falsche Geschlecht mit richtiger Seele zu haben? Was ist transsexuell überhaupt? Zählen Transvestiten mit dazu? Ist Lilo Wanders ein Mann, der gerne Frauenkleider anzieht, aber nie auf die Idee kommen würde, sich den Dödel abschneiden zu lassen? Oder was?
Fragen über Fragen, die sich in Anbetracht des Themas aufdrängen – doch statt Antworten gibt es etwas ganz anderes. Ehrlicherweise hätte die „Themenabend“- Redaktion in Straßburg gleich ihr Unterfangen „Rosa von Praunheim stellt sein neuestes Werk vor und setzt sich selbst ein Denkmal“ nennen müssen. Drei Beiträge wird es zu sehen geben, in der Mitte der hinlänglich bekannte Doku-Spielfilm „Ich bin meine eigene Frau“, das Praunheim-Porträt der Charlotte von Mahlsdorf, die eigentlich ein Mann war und immer in der DDR gewohnt und überhaupt eine Menge zu erzählen hat über ihr Leben unter den Nazis und später im Arbeiter-und-Bauernstaat. Sehr schön das, hat Frau von Mahlsdorf auch gewiß verdient, daß sie so gewürdigt wird. Aber vier Jahre ist der Spielfilm nun alt, da wird die Frage erlaubt sein: Gab es denn gar nichts Neues mehr von der Frau, die immer so schöne Kittelschürzen trug? Was ist mit ihrem Gründerzeitmuseum, was aus ihrem Plan geworden, in Schweden ein gemütliches Exil zu suchen? Rosa von Praunheim sagt dazu nur: „Es geht hier um Verständnis, nicht um Erbsenzählerei.“
Die erste Hülsenfrucht des arte- Pakets verheißt eine einstündige Dokumentation, wiederum von Rosa von Praunheim, diesmal unter dem Titel „Vor Transsexuellen wird gewarnt“. Alle sehr praunheimsch – verwackelte Kamera, lose Schnitte, hier und da von Praunheims nervöse und scheinbesorgte Stimme aus dem Off, irgendwie camp, streckenweise amateurhaft kommt der Beitrag daher: Man sieht, daß es in den USA – hierzulande wurde offenbar überhaupt nicht recherchiert, geschweige denn den amerikanischen Geschichten irgendein deutscher Schnipsel hinzugefügt – Menschen gibt, die viel Streß haben, sich durch das administrative und medizinische Gestrüpp aus Unverständnis und Ignoranz zu schlagen, ehe sie ihr Geschlecht wechseln dürfen. Filmisch gesehen bietet der Beitrag Bekanntes: Männer und Frauen kommen zu Wort, „subjektiv, ungefiltert, ungeschminkt“, so der Regisseur in einem Tonfall, als sei dies allein bereits eine Heldentat.
Immerhin: Am Ende siegen „die Opfer der repressiven Gesellschaft“ (Praunheim) doch. Für den Mann, der für sich in Anspruch nimmt, mit seinem Streifen „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Gesellschaft, in der er lebt“ die bundesdeutsche Schwulenbewegung gegründet zu haben, Anlaß genug, darauf hinzuweisen, daß die Transsexuellen weltweit Aufsehen erregen, ja „zur massenhaften Bewegung“ werden. Die Beweise für diese Spekulation blieb er notgedrungen ebenso schuldig wie für jene, daß hierzulande Menschen im falschen Körper besonders zu leiden haben. Ebenso wenig erfährt man darüber, daß in der Bundesrepublik ein Transsexuellengesetz existiert, welches diesem Personenkreis nahezu jeden zivilrechtlichen Schutz angedeihen läßt.
„Es geht nicht um kalte Zahlen, sondern um Betroffenheit“, sagt Rosa von Praunheim. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, stört es auch nicht, wenn einer der liebsten Subventionsfilmer des öffentlich- rechtlichen Fernsehens am Ende der Dreharbeiten in New York kumpelig und bar aller journalistischen Distanz beteuert: „An diesem Film habe ich fast ein Jahr gearbeitet, und ich bin sehr dankbar, daß ich diese wunderbaren Menschen kennen und lieben lernen durfte.“
Boris Penth, seit 15 Jahren Autor und Regisseur, hat schließlich den dritten und letzten Programmpunkt gefüllt: „Rosa von Praunheim – Standpunkt eines Streitbaren“. 20 Minuten dauert der Beitrag – und ist nichts als eine Hommage an einen Mann, der seit Ende der sechziger Jahre gut damit über die Runden gekommen ist, schwul zu sein und die heterosexuelle Mitwelt wissen zu lassen, daß sie ihm als Schuldige künstlerische Privilegien einzuräumen hat.
Auch wenn der Themenabend aufrichtig von Praunheim gewidmet worden wäre, hätte sich bewiesen, daß jeder kritische Anspruch versagt hat. Gezeigt werden nur Ausschnitte aus Interviews, in denen von Praunheim glänzt und charmiert, frechdachst und meist gar nicht auf (die meist gutgemeinten) Fragen eingeht. Konträre Meinungen? Statements von Feinden? Was war das noch mit dem Outing? Was mit seinen angstschürenden apokalyptischen Visionen in Sachen Aids? Möchte von Praunheim ein Messias sein? Fühlt er sich geliebt? Feuert es ihn an, befeindet zu werden? Fehlanzeige, leider. Und das hat Rosa von Praunheim, verdienstvoller Filmemacher und Promoter einer unverschämten Öffentlichkeit, nun wirklich nicht verdient. Jan Feddersen
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