: Bloß keine Voodookunst
■ Ein Weyher Sammlerpaar gräbt im Busch von Simbabwe nach steinernen Kunstschätzen / Ausstellung im „Kito“ in Vegesack
Auge in Auge stehen sich die steinerne Frau aus Simbabwe und die kühle Blonde aus Norddeutschland gegenüber. Sabine Grewe kann den Blick nicht abwenden. Irgendwas Rätselhaftes, sagt sie, geht vom Kopf der Steinfigur aus, ein grob behauener Klotz aus dunklem Springstone, der auf einem glatt polierten Torso sitzt. Auf dem Preisschild darunter klebt ein dicker, gelber Punkt. Die Steinfrau ist verkauft. Grewes bisher größter Verkaufserfolg. „Aber glauben Sie bloß nicht, daß ich darüber besonders glücklich bin“, sagt Grewe, ohne den Blick von der Skulptur abzuwenden.
Als typische Kunsthändler kann man Sabine Grewe und ihren Partner Kenneth Shutt wirklich nicht bezeichnen. Sie verstehen sich als Kunstsammler und Kunstliebhaber – mit einem recht speziellen Geschmack: Weit über 100 Skulpturen aus Simbabwe, dem „Land der Steine“, schmücken ihr luftiges Penthouse in Weyhe-Erichshof. Jedes einzelne Stück handbehauen, jedes einzelne handverlesen, wie die Sammler betonen. „Jede strahlt so eine gewisse Energie aus“, sagt Grewe. „Positive Energie“. Die wollen Grewe & Shutt auch auf andere deutsche Kunstfreunde übertragen. Aber das heißt letztlich: verkaufen.
Die derzeitige Verkaufsschau im Vegesacker „Kito“ ist mit 65 Steinskulpturen der erste große Schritt auf den Markt. Das Weyher Penthouse ist so gut wie leergeräumt. Der Erfolg ist schon sichtbar: Bereits nach der Vernissage am vergangenen Wochenende markieren viele gelbe Punkte jene Kunststücke, die den Besitzer wechseln werden und nicht zu Grewe & Shutt zurückkehren.
Nein, auf der derzeitigen Afrika-Welle wollen die beiden Sammler nicht mitschwimmen. Da gehe es doch eher um Mode. „Voodoo-Kunst“, sagt Grewe. Solche traditionelle Kunst, wie sie derzeit unter dem schicken „Ethno“-Label verkauft werde, interessiere sie nicht. Schwarz bemalte Schnitzmasken mit drastischen Grimassen: Das sei eben die Art von Kunst, die dem westlichen Publikum immer noch die Klischees vom dunklen, magisch umwehten Kontinent Afrika liefere. „Das ist das Problem“, sagt Shutt: „Wenn die Leute nach Afrika kommen, suchen sie immer die typisch ethnischen Sachen“. Und mit der Nachfrage regelt sich auch das Angebot. Manche Stammeskunst mag längst unzeitgemäß sein, aber die Künstler schnitzen sie eben, solange die Touristen genau das kaufen.
Shutt kennt die Käufer dieser Sorte. „Die kommen zu den Künstlern oder in die Galerie und fragen: Was ist das teuerste Stück?, und kaufen es dann.“ Im Dutzend billiger. Händler aus Australien und den USA seien die Hauptabhnehmer. Containerweise schaffen sie die exotische Ware aus dem Land, erzählt Shutt – „da krieg' ich den Horror.“
Denn Shutt selbst liebt es, sich Zeit zu nehmen für die Kunst. Stundenlang. Ganz Jäger und Sammler. Das Glücksgefühl, wenn er ein besonders schönes Stück erwischt, am besten „mitten im Busch, mitten im Nirgendwo“. Dort suchte Shutt im vergangenen Herbst nach unbekannten Talenten – zeitgenössische Kunst, nichts modisch Angehauchtes. Shutt & Grewe lieben abstrakte, moderne Kunst – daß sie in diesem Fall aus Simbabwe kommt, spiele eigentlich keine Rolle. „Viele dieser Stücke könnten auch von europäischen Künstlern stammen“, sagt Grewe. Da mache sich auch der Einfluß der Briten bemerkbar, die bis Anfang der 80er Jahre als Kolonialmacht im damaligen Rhodesien herrschten. Tatsächlich treffen sich in vielen Skulpturen die kühle Eleganz eines Henry Moore mit den tradierten Masken- und Tiermotiven der Stammeskunst. Doch wozu eine genaue Zuordnung, fragt Shutt. „Wir sollten versuchen, nicht immer wieder diese Barrieren zu reproduzieren“, sagt er; „ein Künstler ist ein Künstler“. Ob aus Simbabwe oder Düsseldorf.
So zählen für das Sammlerpaar allein zwei Kriterien, wenn sie im Busch nach Schätzen graben. Es muß gute Kunst sein. Und: „Es muß uns gefallen“. So einfach ist das, bzw. so schwer.
Denn so sehr sich die Sammler bemühen, die kleinen Künstlerkolonien und -gruppen in dem jungen Land zu unterstützen: Es bleibt der Zweifel, ob nicht jeder Kauf ein Eingriff ist, der die Kunst in ihrer Entwicklung beeinflußt. Shutt winkt ab: Die meisten seiner Künstler seien 30 bis 35 Jahre alt – „die haben ihre Werte“. Und wissen, was sie wert sind.
Bei Preisen zwischen 500 und 8000 Mark nimmt sich dieser Wert freilich noch bescheiden aus, gemessen an Skulpturen europäischer Provenienz. Die kleineren, billigeren Steinfiguren fanden im „Kito“ rasch neue Freunde. Grewe & Shutt sehen es mit wachsender Sorge. Zwar hat man sich inzwischen sogar zu einem Firmennamen durchgerungen („Art of Stone“). Aber das große Geschäft soll aus dem passionierten Hobby nicht werden. Vorerst jedenfalls. Denn falls alles verkauft wird, droht die Weyher Wohnung ja leerzustehen. „Dann“, sagt Grewe, „müssen wir natürlich los und was Neues holen.“ Thomas Wolff
„Art of Stone“, bis 30.6. im „Kito“, Alte Hafenstr. 30, geöffnet jeweils Sa./So. von 11 bis 18 Uhr
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