: Feger und Sammler am Container
■ Verdreckte Sammel-Plätze: Dem „Grünen Punkt“ droht das Ende wegen der „rücksichtslosen Entsorgungsmentalität“ der BürgerInnen Von Marco Carini
Finanzkrisen, Sammelboykotte, illegale Müllschiebereien – das alles hat das Duale System, die „Wertstofferfassung“ mit grünem Punkt und gelbem Sack, überstanden. Doch jetzt droht den Recyclern aus der Bonner Retorte in Hamburg das Aus. Der Grund: Die Container-Aufstellplätze werden zunehmend als wilde Abfallkippen genutzt. Besonders in Eimsbüttel stapeln sich im Umfeld der Wertstoffcontainer für Altglas und Papier wild abgelagerter Hausmüll, kaputte Kühlschränke, Altölkanister und – natürlich die Wertstoffe, die in den oft überfüllten Containern keinen Platz mehr finden.
Bezirksamtsleiterin Ingrid Nümann-Seidewinkel fühlt sich bereits an New Yorker Verhältnisse erinnert: „Das sieht aus wie in der Bronx“. Und droht: „Wenn sich das nicht ändert, werden wir die Aufstellungsgenehmigungen für alle 157 Container entziehen“. Die Folgen für die Arbeitsgemeinschaft Duales System (ARGE) wären fatal. Deren Mitarbeiter Martin Kistner: „Ohne Eimsbüttel werden wir die vorgeschriebenen Erfassungsquoten für Wertstoffe in Hamburg nicht zusammenkriegen und müssen aufgeben“.
Mitte Juni will der Kerngebietsausschuß des Bezirks darüber entscheiden, ob der ARGE die Aufstellgenehmigungen entzogen werden. Deren Sprecher Hans-Jürgen Cierzon hingegen betont, daß die Wertstoffsammler ihre vertraglich vereinbarte Pflicht erfüllen, die Aufstell-Fläche von 12 Quadratmeter zu reinigen und den dort abgestellten Hausmüll zu beseitigen.
Anders verhält es sich bei abgelagertem Sondermüll. Cierzon: „Wir haben gar nicht die Erlaubnis, den Sondermüll abzutransportieren“. Zwar habe die ARGE sich um eine entsprechende Genehmigung bemüht, sei jedoch abgeblitzt. Cierzon: „Wenn wir abgestellte Batterien und Kühlschränke mitnehmen, begehen wir eine Straftat“.
Deshalb müsse die Stadtreinigung die Sonder-Abfälle entsorgen. Deren Sprecher Gerd Rohwedder: „Wir sind dazu bereit, wenn das Bezirksamt uns dazu auffordert und dafür bezahlt“. Der Bezirk aber will sich diese Kosten nicht aufbürden lassen und verweist zurück ans Duale System. Auch Rohwedder blickt durch: „Da die den Gewinn aus der Wertstoffsammlung einstreicht, sollte sie auch für die Folgekosten aufkommen“.
Die ARGE wiederum findet, sie habe „den Müll ja schließlich weder verursacht noch da abgeladen“. Schuld sei vielmehr – zurück auf Los – die Stadtreinigung. Cierzon: „Überall wo die Sperrmüll-Straßensammlung abgeschafft wurde, nimmt die Bereitschaft der Bürger zu, ihre sperrigen Abfälle irgendwo in der Landschaft zu entsorgen“. Auch Ingrid Nümann-Seidewinkel sieht in dem komplizierten und zeitraubenden Sperrmüll-Abholsystem einen Grund für die Abfallberge rund um die Sammelcontainer: „Eine völlig unpraktikable Lösung“. Gerd Rohwedder wiederum ist sich sicher: „Zwischen den vermüllten Container-Plätzen und der Sperrmüll-Entsorgung gibt es keinen Zusammenhang“.
Während der Schwarze Peter locker umgeht, bleibt der Müll, wo er ist. Oder doch nicht? Eimsbüttels Baudezernent Peter Schmietendorf will nun ein „Feuerwehrsystem installieren“. Der Bezirk will der ARGE die am schlimmsten vermüllten Plätze melden, die wiederum versprach, dann ratzfatz den Feger und Sammler zu spielen.
Angst, daß der Bezirk dem Dualen System die Aufstellungsgenehmigungen doch noch entziehen könnte, hat Hans Jürgen Cierzon nicht: „Das geht nur mit Erlaubnis der Umweltbehörde“. Außerdem sind sich im Zweifelsfall die drei Streithälse einig, daß der Schwarze Peter eigentlich den EimsbüttlerInnen gebührt. Denn Schuld an der ganzen Malaise, weiß etwa Wolfgang Schmietendorf, sei ja im Grunde „die rücksichtslose Entsorgungsmentalität vieler Bürger“.
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