Denunzierend -betr.: "Wer Windkraft sät, wird Sturm ernten", taz vom 29.12.94

Betr.: „Wer Windkraft sät, wird Sturm ernten“, 29.12.94

Alle Wetter: eine ganze Seite Anti-Windkraft in der taz-HH! Wann gab es (seit Tschernobyl) so viel Platz für die Anti-AKW-Berichterstattung? Unsere Blockaden gegen Castor-Transporte aus dem AKW Brokdorf im letzten Jahr waren der taz fünfzeilige Notizen wert, kümmerlicher als die dpa-Meldung darüber. (stimmt nicht, mehrfach und ausführlich, d. Red.)

Und nun diese geballte Ladung sämtlicher Standard-Totschlag-Argumente gegen Windkraftnutzung, zusammengemixt bei einem Ausflug durch Ostfriesland: verallgemeinernd, Zusammenhänge verdrehend, tendenziös, denunzierend – eben eine reißerische Reportage, Bild hätte es nicht besser gekonnt:

Der bedauernswerte Mann etwa, der auf dem (idyllisch ruhigen) Fliegerhorst Dienst tut und zu Hause die Ruhe genießen möchte, und das geht nu nicht mehr, wegen der heulenden Windspargel. Oder die streßgeplagten Wochenendhausbesitzer, die sich anmaßen, die Landschaft drumherum quasi gleich mitgekauft zu haben. Oder die Fremdenverkehrsbüroleiterin, die mit ihrer Windmühlenphobie die Touristen verscheucht, so wie die Zugvögel auch schon verscheucht worden sind. Und zu allem Übel auch noch die „Ökos“, die sich nicht schämen, mit Wind Profit zu machen. Einfach zum Kotzen, so eine Reportage! Da wird Leistung (Kilowatt) munter mit Arbeit (Kilowattstunden) verwechselt und dankbar Herr Heidger Brandt vom BUND Schleswig-Holstein zitiert, der falsch und frech behauptet, Windkraftanlagen dürften überall dort gebaut werden, wo sie beantragt würden.

Die „Drehkreuze der Monsterfriedhöfe“ müssen den armen Reporter schon „nach wenigen Stunden im Windmühlenland“ besoffen gemacht haben; denn er schreibt: „Dann drückt die Landesregierung ihr Anti-Atom-Programm auf dem Rücken der Ostfriesen durch.“ Das ist wahrlich traumhaft formuliert. Nur, im Ernst, Windmühlen kann ich sehen, aber vom Anti-AKW-Programm ist nicht die Spur zu entdecken. Ein Narr, der glaubt, 10-, 20-, 30.000 Windkraftanlagen würden die AKWs stillegen – und wir brauchen nicht mehr dafür zu kämpfen. Nur, daß es nicht zu viele Windmühlen gibt, darauf müssen wir aufpassen.

Eine gehaltvolle Diskussion um Windkraftnutzung stünde der taz gut zu Gesicht.

Karsten Hinrichsen