: Weltverzauberer und Wortströme
■ Alfred Kolleritsch und Sissi Tax boten im Literaturhaus eine gelungene Konfrontaion
Alfred Kolleritsch (geb. 1931) ist – mit Verlaub – ein „literarisches Trüffelschwein“, Sissi Tax eines seiner „Fundstücke“. Der Herausgeber der bedeutenden Grazer Literaturzeitschrift manuskripte hat seit 1960 viele wichtige Autoren, z. B. Peter Handke, erstmals veröffentlicht. Die Maxime des Literaturfinders Kolleritsch: Er will junge Autoren entdecken und ihre verschiedenen Schreibweisen in seiner Zeitschrift miteinander konfrontieren. Der Leseabend schuf nun selbst eine solche Konfrontation der Spracharbeiter Kolleritsch und Tax.
Der „Weltverzauberer Kolleritsch“ (Tax über Kolleritsch) erfindet in seinem knappen Roman Der letzte Österreicher die Jahrhundert- und Lebensbilanz eines Malers: „Ich setze dem Zerfall der Welt meinen Blick entgegen.“ Die Hoffnung des Künstlers, nach Hitler käme eine neue Zeit, trog: Sein politisches Engagement ist verebbt, sein künstlerischer Stilwille scheitert an der grassierenden postmodernen Beliebigkeit.
So hat er denn die Kacheln seines Ofens bemalt und damit dem schließlich utopieleeren Säkulum seine selbstgeschaffene Welt entgegengesetzt. Hier fügen sich der variierte Goethe-Vers „Gedichte sind gemalte Fensterscheiben“ und die sprichwörtliche Wendung vom Spießer auf der Ofenbank zu einem Bild des Bescheidens angesichts des österreichischen Anstreichers, der das Säkulum grausam geprägt hat. Das Jahrhundert ist zuende – und mit ihm das Leben des Malers: „Ich hinterlasse den Ofen.“
Ganz anders schreibt Sissi Tax (geb. 1954), „die ihren Stil gefunden hat“ (Kolleritsch über Tax). Ein Wort gibt das andere, jeder Folgesatz nimmt ein Wort des vorhergehenden Satzes auf: „ich lebe vom abfall der sprache und vom räumen der dinge. mehr vom verräumen als vom ausräumen.“
Im Prosaband manchmal immer verschmelzen Selbstaussage und Wortstrom, schrauben sich wie in einer Spirale immer weiter – manchmal auch ins Nichts. Tax treibt die Sprache vor sich her, um zu erkunden, ob und wie sie Auskunft geben kann über Sissi Tax. Diese Prosaskizzen gründen in der Suche nach Sprache und Identität, siedeln zwischen Spielerei und Notwendigkeit.
So traf die verhaltene, widerständige Ironie des Alfred Kolleritsch auf die sprachartistische Selbstbezüglichkeit der Sissi Tax – eine geschickte und gelungene Konfrontation. Frauke Hamann
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