Die großen deutschen Machos

■ SPD-Frauen verliehen Chauvi-Preis des Jahres 1995 an den Historiker Lothar Gall. Der Professor ist verantwortlich für das weibfreie Werk "Die großen Deutschen"

Zum ersten Mal in seinem Leben mochte der vielfach preisgekrönte Historiker Professor Doktor Lothar Gall eine Auszeichnung nicht entgegennehmen. Die alljährlich von einer SPD-Frauenjury ausgerichtete Preisverleihung „Chauvi des Jahres“ fand gestern ohne den Preisträger statt, statt seiner wurde einem Pappkameraden die „Chauvischürze“ umgebunden. Ulrike Neumann, frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, würdigte den Historiker von der Universität Frankfurt/Main in ihrer Laudatio als einen konsequenten Herrendenker. Als Herausgeber des sechsten Bandes der Reihe „Die großen Deutschen“ habe er es geschafft, auf insgesamt 695 Seiten ausnahmslos Männer darzustellen.

Die Schönheiten des männlichen Geistes werden in seinem weibfreien Werk in 53 Portraits von allen Seiten beleuchtet: von Hermann Josef Abs über Ernst Bloch und Axel Springer bis zu Carl Zuckmayer. Nebenbei dürfen sich Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt und Herbert von Karajan freuen, als „große Deutsche“ heim ins Reich geholt worden zu sein. Die außerordentliche Leistung des Historikers Gall entlockte selbst dem Spiegel feministischen Furor: „Daß unter den 53 Großen keine einzige Frau auftaucht, ist wohl männlich beschränkter Perspektive zu verdanken. Noch nie von der Philosophin Hannah Arendt oder der Dichterin Ingeborg Bachmann gehört, ihr Herren?“

Lothar Gall, in Berlin durch die Ausstellung „Fragen an die deutsche Geschichte“ im Reichstag bekannt geworden, ist keineswegs untypisch für seine Zunft. In der vielbändigen Reihe „Die großen Deutschen“ werden nach Zählung der SPD-Frauen 285 Männer, aber gerade mal 8 Frauen gewürdigt.

Angesichts der insgesamt 18 Kandidaten, die im Jahre 1995 durch Chauvisprüche auffielen, sei ihnen die Wahl nicht leicht gefallen, berichtete Jury-Mitglied Neumann. Zur Wahl standen unter anderem der SPD-Bundesvorsitzende Oskar Lafontaine höchstpersönlich („Womit verhüten Emanzen? Mit dem Gesicht“). Weitere Kandidaten: CSU-Generalsekretär Bernd Porzner („Die CSU muß das Risiko eingehen und verstärkt Frauen in die Partei einbringen“), CDU-Kultursenator Peter Radunski (über die SPD- Spitzenkandidatin Ingrid Stahmer: „Sie ist ja ganz lieb, aber ...“) und TV-Entertainer Harald Schmidt („Früher gingen die Frauen freiwillig ins Frauenhaus, heute muß man sie hinprügeln“).

Nach Elmar Pieroth und 100,6- Georg-Gafron, den Preisträgern von 1989 und 1995, ist Lothar Gall übrigens schon der dritte Chauvi, der zu feige ist, die Auszeichnung entgegenzunehmen. Ute Scheub