: Die Inszenierung von Luxus
Im Herbst eröffnet das Fünfsternehotel „Four Seasons“ am Gendarmenmarkt. Das Zauberwort für die Konkurrenz im Hotelgeschäft heißt Service ■ Von Uwe Rada
Marmor, wohin man blickt. Marmor das barocke Waschbecken, marmorn der Fußboden. Das Badezimmer des „Deluxe“-Zimmers im Four Seasons ist ein Traum für alle, denen Luxus und Prunk zwei Seiten derselben Medaille sind. Prunkvoll gibt sich auch das Schlaf-, Wohn- und Arbeitszimmer im Fünfsternehotel am Gendarmenmarkt. Klassische Möbel, schwere Vorhänge und ein Sekretär, den man auch einem Minister unterschieben könnte. „Zeitlose Eleganz und luxuriöser Komfort“ heißt das ambitionierte Marketingkonzept, mit dem die kanadische Four-Season-Gruppe ihr drittes Haus in Europa zum Erfolg führen möchte.
Der äußere Baukörper des von Josef Paul Kleihues entworfenen Hotels ist längst fertiggestellt. Dabei bildet das Gebäude nicht nur einen angenehmen Kontrast zur Wehrhaftigkeit der Kollhoff- Klötze an der Friedrichstraßenseite des „Hofgartens am Gendarmenmarkt“. Mit der hellbeigen Travertinfassade, den geschwungenen Erkern an der Französischen Straße und den Balkongittern weht am Gendarmenmarkt sogar fast ein Hauch mediterraner Leichtigkeit. Dieser Eindruck freilich verschwindet, sobald einem das Interieur entgegenschlägt. Leicht ist hier nur das Gewicht der Stucktapeten, die zur Zeit an die nackten Betonsäulen geklebt werden. Auf den Gängen der künftigen Lobby und der Rezeption lagert ein wahrhaft klassizistischer Baukasten. Neoklassische, hauchdünne Holzvertäfelungen und verspielte Stuckornamente made in Toronto. An ihrem Platz, dem Beton made in Germany, angebracht sollen sie dem Gast ab Herbst eine perfekte Illusion vorgaukeln: den klassischen Luxus, von dem man dann nur ahnen kann, daß er nichts anderes ist als teuerste Kulisse.
Während andere Luxushotels auf vornehme Zurückhaltung setzen, gehört der Gründerzeitprunk zur unternehmerischen Ästhetik aller Häuser der Four-Seasons- Kette. 1961 in Toronto gegründet, betreibt die Four-Seasons/Regent- Gruppe mittlerweile 40 Häuser, die meisten davon in den USA und Kanada sowie in Fernost. Das Four-Seasons am Gendarmenmarkt ist das erste in Deutschland und neben London und Istanbul die dritte „Destination“ der Gruppe in Europa. Daß das Fünfsternehotel in Berlin bald mit einem Dutzend seinesgleichen konkurriert, stört den Deutschland- Chef, den gebürtigen Österreicher Herbert Pliessnig, allerdings wenig. „Unsere Philosophie heißt value for money“, verrät er, „kostenlose Dienstleistungen, die sonst kein anderes Haus bietet.“
In der Tat ist die Liste von Serviceangeboten groß: Limousinen- servive, Airline-Ticketing, Bügelservice, Wäscheservice, kostenlose Tageszeitung zum Frühstück, Schuhputzen, 24-Stunden-Zimmerservice gehören zum Angebot ebenso wie Sportkleidung für die Fitneßräume oder Bademäntel in den 204 Zimmern. „Was den Service betrifft, sind wir Trendsetter“, ist sich Herbert Pliessnig sicher. Doch der Luxus hat auch seinen Preis. 430 bis 645 Mark kostet das Doppelzimmer, die Suiten sind von 700 bis 2.500 Mark zu haben.
Daß der Blick auf den Gendarmenmarkt, die Pastell- und Lemontöne in den Zimmern, der Marmor im Bad oder das prunkvolle Ambiente tatsächlich Werte sind, die die Kunden einmal mit Geld bezahlen, ist freilich ein Glaube, der aus besseren Zeiten rührt. 1992, mitten im Boom der dritten Berliner Gründerzeit, hatte sich die kanadische Gruppe entschlossen, in der künftigen Hauptstadt zu investieren.
„Um sich in Europa zu etablieren, ist Berlin der wichtigste Standort“, verteidigt Pliessnig auch heute noch die Entscheidung. Doch auch er weiß, daß die „Lage in der Hotellerie damals wesentlich besser war“. Pliessnigs Devise heißt deshalb Flexibilität. „Der Gast muß wissen, warum er ausgerechnet in unser Hotel kommt“, fordert Pliessnig von seinen Mitarbeitern. „Wenn wir unseren Kunden sagen müßten, das und das können wir für Sie nicht erledigen, wäre das keine Dienstleistung mehr.“ Was das im Konkreten bedeutet, erklärt Pliessnigs PR-Frau Tini Gräfin Rothschild: „Warum soll zum Beispiel jemand, der keinen allzugroßen Hunger verspürt, im Restaurant keine halbe Portion bekommen?“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen