: Likud-Chef Benjamin Netanjahu regiert Israel mit Mut zur Lücke
■ David Levy wird Außenminister, obwohl das politische Schicksal des Rechtsaußen Ariel Scharon noch nicht geklärt ist
Jerusalem/Kairo/Washington (AP/AFP/taz) – Obwohl letzte Fragen bei der Bestimmung seiner Minister immer noch nicht geklärt waren, hat Israels neuer Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gestern offiziell die Amtsgeschäfte übernommen. So stand nicht fest, ob der Rechtsaußen Ariel Scharon doch noch in der Regierung mitarbeiten wird. Scharon wollte zuletzt das Verteidigungsministerium übernehmen, das jedoch an den Armeegeneral Jitzhak Mordechai vergeben wurde.
Das Parlament in Jerusalem hatte am Dienstag abend mit 62 gegen 50 Stimmen dem Kabinett Netanjahu das Vertrauen ausgesprochen. Der 46jährige Premier hatte zunächst neben dem Amt des Regierungschefs auch die Ressorts Äußeres, Wohnungsbau und Religiöses für sich vorgesehen. Am späten Abend erklärte sich dann allerdings doch noch der als halbwegs moderat geltende David Levy bereit, das Außenamt zu übernehmen. Netanjahu bot Scharon das Ministerium für Infrastruktur an, in dessen Zuständigkeit unter anderem die Rüstungsindustrie sowie die Straßen- und Zugverbindungen in die autonomen Palästinensergebiete fallen. Scharon hatte jedoch auf ein Schlüsselressort gehofft.
Erst nach zähen Verhandlungen hatte Netanjahu eine regierungsfähige Mehrheit mit zahlreichen kleinen religiös oder rechts orientierten Parteien zustande gebracht. Bei der Vorstellung seines Programms erklärte er in der Knesset, er werde die Verhandlungen mit den Palästinensern, mit Syrien, Libanon und anderen Staaten ohne Vorbedingungen weiterführen. Die Sicherheit Israels stehe aber an erster Stelle. In Richtlinien, die Netanjahu am Montag bekanntgegeben hatte, schloß er die Errichtung eines palästinensischen Staates und die Rückgabe des Golan an Syrien aus. Des weiteren bestand er darauf, daß Jerusalem unteilbare Hauptstadt Israels bleiben müsse und befürwortete den Bau weiterer jüdischer Siedlungen im Gaza-Streifen, im Westjordanland und auch auf dem Golan.
Der aus dem Irak stammende neue Verteidigungsminister Mordechai (52) gilt wie Scharon als Hardliner. Die militärische Karriere Mordechais spricht eine deutliche Sprache: Als Fallschirmspringer war er während des Jom-Kippur-Kriegs 1973 hinter den feindlichen Linien im Einsatz, wofür er die höchste Tapferkeitsmedaille erhielt, mit 41 Jahren wurde er Generalmajor, zu Beginn des Palästinenseraufstands war er dann als Militärkommandeur des Gaza- Streifens bekannt für sein hartes Durchgreifen. Es überrascht daher auch kaum, was der neue Minister als Grund für seinen Eintritt in die Politik anführte: Die Autonomieabkommen, die den Palästinensern die weitgehende Kontrolle über den Gaza-Streifen und das Westjordanland geben, seien eine Gefahr für Israel. Auch einen möglichen Abzug der israelischen Armee von den Golanhöhen lehnt Mordechai ab. Diese Ansichten katapultierten ihn an die Spitze der Likud-Partei – nur wenige Monate nach seinem Beitritt und trotz der Tatsache, daß er zuvor nie ein politisches Amt innehatte.
Bei der offiziellen Übergabe der Amtsgeschäfte würdigte Netanjahu gestern seinen Vorgänger Schimon Peres und äußerte sich zuversichtlich, daß beide trotz der Meinungsverschiedenheiten für die Zukunft Israels zusammenarbeiten könnten. Zuvor hatte der scheidende Ministerpräsident seinen Nachfolger aufgerufen, den Friedensprozeß fortzusetzen.
Der ägyptische Außenminister Amru Mussa kritisierte Netanjahus Antrittsrede, weil sie zu viele „Neins“ enthalte: „Wenn diese Rede eins klargemacht hat, dann, daß die harte israelische Position nur negative Auswirkungen auf den Friedensprozeß haben kann“, sagte er. Die staatliche syrische Presse berichtete, daß Syrien so lange nicht mit Israel verhandeln werde, wie Netanjahu ein Land- für-Frieden-Abkommen nicht akzeptiere. Die Richtlinien des neuen israelischen Ministerpräsidenten sabotierten den Friedensprozeß. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Nicholas Burns, forderte unterdessen die arabischen Staaten auf, mit der neuen israelischen Führung zusammenzuarbeiten. Netanjahu wird am 8. Juli in Washington erwartet.
Der Chef der palästinensischen Autonomieverwaltung, Jassir Arafat, rief die internationale Gemeinschaft auf, sich für die Friedensabkommen und den Friedensprozeß einzusetzen. Dabei handele es sich um internationale Vereinbarungen, die nicht nur eine Angelegenheit zwischen Israel und den Palästinensern seien.
Siehe Seiten 10 und 11
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