: Noch mehr Rückendeckung für Boris Jelzin
■ Der liberale Reformpolitiker Grigori Jawlinski stellt sich hinter den russischen Präsidenten. Jelzin sagt wegen des Wahlkampfs seine Teilnahme am G-7-Gipfel ab
Moskau (AP/rtr/AFP) – Rußlands Präsident Boris Jelzin kann nach seinem Bündnis mit dem Drittplazierten Alexander Lebed nun auch mit Unterstützung des Chefs der liberalen Jabloko-Partei, Grigori Jawlinski, rechnen. Jawlinski, der im ersten Wahlgang 7 Prozent der Stimmen erhalten hatte, rief seine Wähler gestern dazu auf, „auf keinen Fall für Sjuganow zu stimmen“. Ob er sich an einer Regierung unter Jelzin beteiligen werde, hänge von Änderungen im Kabinett und in der Politik ab, sagte Jawlinski.
Der neue Chef des nationalen Sicherheitsrates, Alexander Lebed, traf gestern überraschend mit dem kommunistischen Herausforderer Jelzins, Gennadi Sjuganow, zusammen. Im Anschluß an das Treffen sagte er, es habe sich um „normale politische Konsultationen nach der ersten Runde der Parlamentswahlen gehandelt. Am Dienstag abend hatte Lebed mehrere Generäle beschuldigt, mit Hilfe der Armee versucht zu haben, Verteidigungsminister Pawel Gratschow im Amt zu halten. Seine erste Amtshandlung sei es gewesen, die geplante Konspiration gegen Präsident Jelzin zu verhindern. Der Verteidigungs- und der Sicherheitsausschuß der Duma sollen diesen Vorwürfen jetzt nachgehen.
Ferner kündigte Lebed an, er wolle sich bald selbst ein Bild von der Lage in Tschetschenien machen. Einen Termin für die Reise nannte er nicht. Außerdem deutete er die Ablösung des derzeitigen Moskauer Statthalters in Tschetschenien, Oleg Lobow, an. Er werde diesem das Problem Tschetschenien“ abnehmen, so Lebed. Die am 16. Juni abgehaltene Parlamentswahl in Tschetschenien ist nach Angaben von OSZE-Beobachtern nicht frei und fair verlaufen. Sie sei außerdem wegen einer Wahlbeteiligung von schätzungsweise 16 Prozent ungültig, hieß es in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht der OSZE. Offiziellen Angaben zufolge soll die Wahlbeteiligung bei 60 Prozent gelegen haben.
Unterdessen hat Boris Jelzin gestern seine Teilnahme am Gipfeltreffen der sieben führenden Industrienationen in Lyon (G 7) abgesagt. Im Moment sei jeder Tag in Rußland für ihn enorm wichtig, sagte Jelzin. Einen genauen Termin für die Stichwahl hat die zentrale Wahlkommission noch nicht festgelegt. Jelzin strebt den 3. Juli, einen Mittwoch, an. Die Regierung hat die Duma gebeten, diesen Tag als arbeitsfreien Tag auszurufen. Laut Verfassung dürfen die Wahlen nur an einem Sonn- oder Feiertag stattfinden.
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