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Rohöl vor Nordfriesland über Bord

Ob vor Amrum ein Schiff die Tanks gereinigt oder eine Ölplattform normal gearbeitet hat, ist noch unklar. Klar ist, daß die Nordsee-Inseln am Wochenende einer Ölkatastrophe entgingen  ■ Von Ulrike Fokken

Berlin (taz) – Außen trocken, innen cremig, sind die Millionen von Ölkügelchen an den Stränden von Amrum, Föhr und Sylt. Das Gröbste haben seit Freitag rund 500 UrlauberInnen, Einheimische und die MitarbeiterInnen der Schutzstation Wattenmeer zusammengeharkt und in blaue Müllsäcke verpackt. TouristInnen können somit an den Stränden der Nordsee-Inseln wieder wandern und baden. Nur die seit Jahrzehnten üblichen Teerklumpen kleben an ihren Sohlen.

Vögel und Seehunde müssen sich weiter fürchten. Auf den vorgelagerten Sandbänken und an den steilen Außenwänden der Inseln kleben noch die drei Millimeter bis einen Zentimeter großen Kugeln. 20 Zivildienstleistende der Schutzstation Wattenmeer haben am Samstag begonnen, den vor der Hallig Hooge liegenden Japsand zu reinigen. Hier leben Seehunde. In diesen Tagen werfen sie ihre Jungen. 50 Säcke voll Öl und Sand sammelten die Zivis zusammen. „Gesehen hat man das am Strand aber hinterher nicht“, sagte gestern Lothar Koch, Biologe in der Schutzstation Hörnum auf Sylt. Größere Bergungsmannschaften müßten heute anrücken.

Am Freitag morgen hatte die erste Flut auf einer Länge von 15 Kilometer einen etwa eineinhalb Meter breiten Teppich aus Rohölklümpchen auf Amrum angespült. An der Südspitze von Sylt und auf Föhr war im Laufe des Tages ebenfalls kilometerlang Öl gesichtet worden. Nachdem die Kurverwaltungen für die Inseln gestern entwarnten, spülte die Flut am Sonntag morgen auch auf dem Festland bei St. Peter Ording auf einer Länge von zwei Kilometer Ölkugeln an. „Das Öl kommt aus derselben Quelle“, sagte gestern Ulrich Kropp von der Einsatzzentrale der Polizei in Husum.

Seine KollegInnen von der Wasserschutzpolizei haben die Quelle bereits annähernd gefunden. Am Dienstag schwamm die Masse noch im Haufen in der Nordsee zwischen Deutschland und Großbritannien. Das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrologie in Hamburg wird das angeschwemmte Rohöl heute untersuchen. „Alle eingesammelten Ölkugeln haben die gleiche Farbe und Konsistenz“, sagte Koch. Die Experten vom Seeschiffahrtsamt können anhand von Wetterkarten, Strömungsdaten und der Schifffahrtsrouten ermitteln, welches Schiff das Öl abgelassen haben könnte.

Biologe Koch jedoch denkt, daß das Öl aus dem Eco-Fisk-Feld rund hundert Kilometer nördlich der Inseln kommt. Dort stehen 413 Ölplattformen, die im Jahr zwischen 14.000 und 23.000 Tonnen Rohöl durch ihren normalen Betrieb ins Meer ablassen. „Schwimmende Ölteppiche sind zum Beispiel vor Schottland an der Tagesordnung“, sagte Koch. Da die Gegend dünn besiedelt ist, fallen sie dort nur selten auf. Das öl sinkt zunächst auf den Meeresboden.

Rainder Steenblock, bündnisgrüner Umweltminister von Schleswig-Holstein, forderte am Wochenende, daß die Beschlüsse der Nordseeschutzkonferenz eingehalten werden sollten. Nachdem die deutschen Küstenländer nicht mehr kostenlos das Altöl der Schiffe entsorgen, verklappten Reeder und Kapitäne das Öl kurzerhand in der Nordsee. Allein in der Deutschen Bucht werden jährlich rund 200.000 Tonnen Ölschlämme abgelassen.

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