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Schützenhilfe nur auf Kinkels Bitten

■ Bei den Auseinandersetzungen um die Beziehungen zu China geht es nach Meinung der Opposition um Kinkels Stuhl

Die Suche nach dem Schuldigen für die „China-Krise“ in Bonn könnte merkwürdiger kaum sein. Die Opposition kritisiert nicht den Außenminister, sondern die Bundesregierung. Der Bundeskanzler selbst gibt eine Solidaritätsbekundung für Kinkel ab. Die eigene Partei stellt sich ebenfalls hinter Kinkel – und trotzdem scheint nur einer in der Kritik zu stehen: eben dieser Klaus Kinkel.

Günter Verheugen, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD, monierte gestern, daß es bei der Auseinandersetzung mit China eigentlich um den Außenminister gehe. Die Indizien, daß die FDP nicht mehr hinter Kinkel steht, seien evident: „Der Graf sägt am Stuhl des Außenministers.“ Graf Lambsdorff, der gestern nicht zu sprechen war, hatte in der Tibet- Debatte im Bundestag gesagt: „Wer der Kraft seiner Argumente nicht traut, sollte zu Hause bleiben. Er sollte dann aber die Finger von der Außenpolitik lassen.“

Lambsdorff wollte später nicht dementieren, daß er Kinkel gemeint habe. Des weiteren weiß Günter Verheugen zu berichten, daß Graf Lambsdorff hinter verschlossenen Türen heftig gegen Kinkel wettere, ebenso wie Parteichef Wolfgang Gerhard. Der bündnisgrüne Außenpolitiker Christian Sterzing erklärte die Demontage von Kinkel mit den Worten: „Es gibt da einen Mann in der FDP, der gern im Kabinett säße.“ Gemeint ist FDP-Chef Gerhard. Ein CDU-Mann weiß nur, daß Irmgard Schwaetzer gegen Kinkel intrigiere. Der Sprecher der Jungen Liberalen, Patrick Döring, formulierte zurückhaltender. „Es besteht der Eindruck, die Parteiführung weiß, daß er über seine eigenen Füße fällt.“ Es gebe jedenfalls niemanden, der Kinkel „treu zur Seite“ stehe, anders als bei Wirtschaftsminister Rexrodt und Justizminister Schmidt-Jortzig. Günter Verheugen hat fast schon Mitleid mit dem Außenminister. Kinkel könne zur Zeit nichts richtig machen: „Er ist das angeschossene Reh.“ Dabei sei eigentlich der Bundeskanzler der Schuldige für die angespannte Situation, schließlich habe die Bundesregierung die Chinapolitik zur Chefsache erklärt. Und der Chef sei nun mal Kohl. Mit seinem Besuch der chinesischen Armee habe Kohl das Signal gesetzt, daß die Bundesregierung die Menschenrechtsfrage als innerstaatliche Angelegenheit Chinas betrachte.

Der außenpolitische Sprecher der SPD, Karsten Voigt, meint zwar, daß die FDP den Außenminister „hängen läßt“, spricht ihn aber nicht frei von Schuld. Die Einladung des Dalai Lama durch die Friedrich-Naumann-Stiftung, deren Vorsitzender Graf Lambsdorff ist, habe Kinkel erst in die Situation gebracht. Es zeige die Schwäche Kinkels, daß die Einladung nicht mit ihm abgestimmt worden sei. Und Gerd Poppe, außenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, hält ebenfalls Kohl für den Schuldigen. Durch seine „Verbeugung vor dem chinesischen Militär“ habe er die chinesische Regierung in Sicherheit gewiegt.

Und wie verteidigt sich Kinkel selbst? Loyal wie er ist, hält er sich mit Kritik bedeckt. Auf der Pressekonferenz am Tag nach der Ausladung ließ er dann aber doch erkennen, was in ihm gärt. Sichtlich angegriffen durch kritische Fragen nach seinem Spagat zwischen wirtschaftlichen Interessen und Menschenrechten, fragte er erbost, wieso er eigentlich als Sündenbock ausgemacht würde, und kündigte eine Stellungnahme des Bundeskanzlers an. Die kam dann auch – Kohl stellte sich hinter Kinkel. Aber der Eindruck blieb: Kinkel mußte die Unterstützung erst einfordern. Markus Franz, Bonn

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