Abschied von Leo

■ St. Paulis Lieblingsbrasilianer verläßt heute abend Fans und Millerntor Richtung Süden Von Torsten Schlemm

Jeden Sommer das gleiche Ritual. Kaum hat die „schreckliche, die fußballose Zeit“ (Heribert Faßbender) begonnen, da beginnen auch die Spekulationen, welcher Akteur Verein A auf jeden Fall verlassen muß und wer bei Verein B schon so gut wie hundertprozentig unter Vertrag steht. An sich keine schlechte Sache, haben so doch Fans wie Journalisten was, an dem sie sich durchs Sommerloch hangeln können.

Leonardo Manzi ist einer, der seit Jahren schon fast in jedem Sommer eine Hauptrolle in diesem Spiel innehat. Seit der Brasilianer 1989 vom legendären Pelé-Club FC Santos zum in gewissen Kreisen kaum minder legendären FC St. Pauli wechselte, wird über seinen Abschied spekuliert, weil er die in ihn gesetzten sportlichen Erwartungen nicht so ganz erfüllen konnte. Zwar hatte Manzi bei seinem ersten Testspiel für St. Pauli auf der Harburger Jahnhöhe zweimal beim 4:4 gegen Schalke 04 getroffen und bei seinem dritten Erstliga-Einsatz ein unvergeßliches Tor zum 1:1 gegen den 1. FC Köln erzielt. Unsterblich wurde Manzi bei den Fans, als er am 6. Juni 1993 Jürgen Gronaus Flanke zum umjubelten 1:0-Siegtreffer gegen Hannover 96 einköpfte und dem FC St. Pauli den Weg in die Drittklassigkeit ersparte.

Damit hatte Manzi sein Pulver aber auch schon nahezu verschossen, was das Publikum am Millerntor, das nicht alleine auf sportliche Qualitäten Wert legt(e), nicht weiter stört(e). Oft genügte es, wenn sich der Publikumsliebling als Joker an der Seitenlinie warm machte, um Nordkurve und Gegengerade zu einem tausendfachen „Leeooh-Leeooh“-Chor zu animieren. Genutzt hat es ihm nichts.

Als die Millerntor-Kicker im vergangenen Jahr wieder in die 1. Bundesliga aufstiegen, ging es für Manzi in die dritte Liga hinab: Bei den Pauli-Amateuren in der Regionalliga-Nord stellte er mit 17 Treffern in 25 Einsätzen seine anscheinend doch in ihm schlummernden Torjägerqualitäten unter Beweis. Seine Karriere beim FC St. Pauli endet nun dennoch, Zweitligaabsteiger Hannover 96 sicherte sich für die nächsten zwei Jahre die Dienste des Brasilianers.

Von seinen Fans verabschiedet er sich heute abend auf der „Leo-Abschiedsfeier“ im stylepass und M&M in der Weidenallee 24. Karten sind für 18 Mark (ohne Verzehrbon) noch erhältlich, ein stolzer und für viele Fans wohl nicht eben sozialverträglicher Preis. Wieviele Anhänger werden sich da noch an Manzis Kopfball aus dem Juni –93 erinnern mögen?