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■ QuerspalteSo schatz doch auch nichz!

„Was die Engländer in der Füsik, die Franzosen in der Metafüsik, sind die Deutschen unstreitig in der Ortokrafi.“ Das hat der Gelehrte Georg Christoph Lichtenberg schon um 1780 erkannt. Deshalb tun sich die Deutschen auch so schwer mit Reformen der Rechtschreibung. Seit 1902 gelten die gleichen Regeln. Wer sie einmal gelernt hat, verteidigt sie.

Schließlich halten die meisten Menschen gute Rechtschreibung immer noch für einen Ausdruck von Intelligenz. Sie sagen: Hürdenlauf trainiert man nicht, indem man die Hürden aus dem Weg räumt. Da nützte es auch nichts, daß selbst Heinrich Böll zugab, er müsse in Sachen Groß- und Kleinschreibung immer seine Frau fragen.

Andere wollten mit der Rückkehr zur Kleinschreibung die Gesellschaft demokratisieren, dem kämpfenden Proletariat die Schrift als leicht zu bedienende Waffe in die Hand geben. Wegen des globalen Wettbewerbs hatte diese Forderung jedoch nie auch nur den Hauch einer Chance. Denn Großschreibung erhöht die Lesegeschwindigkeit um runde fünf Prozent. Damit haben wir (Standort Deutschland!) einen wichtigen Vorteil gegenüber der anglo- und frankophonen Welt, wo man das Substantiv erst noch lange suchen muß. Vom Tisch sind damit Sätze wie „Helft den notleidenden vögeln!“ oder „Ich habe in Peking liebe genossen.“

Bei der jetzt geplanten Reform werden fast nur noch Dinge verändert, die fast jeder als sinnvoll begreift. Endlich kann man „belemmert“ mit „ä“ schreiben und schneuzen mit „äu“. Wenn ich gewußt hätte, daß das heute noch nicht erlaubt ist, dann hätte ich es schon längst gefordert. Soll diese Reform wirklich Unrecht- Schreibung sein, wie manche Germanisten und Juristen unken? Der Ortokrafie- Experte Georg Christoph Lichtenberg sah das schon früher eher pragmatisch: „Fürz nicht überall Überzeugung bei sich, so fürz doch auf Einigkeit, und hilfz nichz, so schatz doch auch nichz.“ Christian Rath

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