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DGB-Grundsätze im Grundsatz strittig

DGB-Bundesvorstand will heute über neuen Programmentwurf entscheiden: Vertagen, Verschärfen oder alles beim alten belassen? „Kleinmütige Anpassung“ oder „alte Klassenkampfparolen“?  ■ Von W. Jakobs

Düsseldorf (taz) – Kurz vor der Ziellinie kommt doch noch Schwung in die Debatte um das neue Grundsatzprogramm des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Nach der ursprünglichen Planung sollte über den von allen Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften am 5. März dieses Jahres abgesegneten neuen Programmentwurf eigentlich auf einem außerordentlichen DGB-Bundeskongreß im November in Dresden entschieden werden. Doch dieser Zeitplan ist zweifelhaft. Die Entscheidung fällt heute bei der DGB- Bundesvorstandssitzung. Mehrere Gewerkschaften, darunter die GEW und die ÖTV, plädieren dafür, im November zunächst eine Grundsatzdebatte zu führen und das neue Programm erst nächstes Jahr endgültig zu verabschieden.

Während der Sprecher der ÖTV gestern zu den Details nichts sagen wollte, redete GEW-Sprecher Steffen Welzel Klartext: Die GEW wünsche, daß jetzt Raum für „eine grundsätzliche Diskussion“ geschaffen werde, denn man sei „noch nicht in dem Stadium, um eine Entscheidung abschließend treffen zu können“. Es gehe darum, noch „ganz viele offene Punkte zu klären“. Ohne diese Klärung drohe ein Formelkompromiß, der dann wirkungslos „in der Schublade“ versinke.

Daß eine Mehrheit im Bundesvorstand sich für diesen GEW- Vorstoß erwärmen könnte, glaubt man in der Düsseldorfer DGB- Zentrale nicht. Über diese Frage sind sich auch die Kritiker des Programmentwurfs uneins. Sowohl die IG-Metall-Führung, aus deren Organisationsbereich die schärfsten Einwände stammen, als auch die eher links anzusiedelnde Gewerkschaft HBV glauben, daß der Zeitplan genügend Luft für eine inhaltliche Präzisierung läßt.

Norbert Trautwein, in der HBV-Zentrale für die Programmdebatte zuständig, ist im Gegenteil davon überzeugt, daß gerade die aktuelle Zuspitzung der ökonomischen Krise „Chancen auf wesentliche Änderungen eröffnet“. So müsse zum Beispiel deutlicher werden, daß zu den zentralen Aufgaben der Gewerkschaften die Organisation von „Gegenmacht“ gehöre. Was der Entwurf dazu biete, sei ein „bißchen dünn“. Insgesamt werde der begrenzte Gestaltungsraum, den die „Konsensstrategie“ heute noch eröffne, zuwenig problematisiert. Ende Juli läuft die Antragsfrist aus. Allein die HBV hat intern schon 72 Änderungswünsche formuliert.

Die schärfste Kritik stammt wohl von der „Initiativgruppe hessischer Gewerkschafter“. Der ganze Entwurf sei „kein Beitrag zur Lösung der gewerkschaftlichen Gegenwarts- und Zukunftsprobleme“, sondern ein Text, der den Geist der „kleinmütigen Anpassung“ atme und die gewerkschaftliche Defensive festschreibe. Vor allem das Bekenntnis, „die soziale Marktwirtschaft ist besser als andere Wirtschaftsordnungen geeignet, die Ziele der Gewerkschaft zu erreichen“, stößt den linken Kritikern böse auf. Dieser gewerkschaftliche „Kotau“ komme zudem noch zu spät, „weil die soziale Marktwirtschaft ihrem Vater (Ludwig Erhard, die Red.) längst ins Grab gefolgt“ sei.

Das sieht die Bergarbeitergewerkschaft IGBE ganz anders. Ihr Sprecher Meer: „Wir betrachten es als Fortschritt, daß von den alten Klassenkampfparolen abgerückt worden ist. Das entspricht voll unseren Vorstellungen.“

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