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Vier ohne die Königin

Blohm+Voss: Die Queen Elizabeth kommt nimmer / „Konzentration aufs Kerngeschäft“ läßt 571 Entlassenen keine Chance  ■ Von Stefanie Winter

Einige der 571 Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz bei Blohm+Voss verloren haben, werden weiterhin für die Werft arbeiten. Sie fahren denselben Kran und behalten ihren Spind in den Umkleideräumen – allerdings nur tageweise und zu wesentlich niedrigeren Löhnen. Zukünftig erledigen Fremdfirmen zwei Drittel der im Reparaturbereich anfallenden Arbeiten, mindestens die Hälfte davon sind Leiharbeitsfirmen. Die Perspektive für gekündigte Mitarbeiter, dort „übernommen“ zu werden, findet der Betriebsratsvorsitzende Otto Tetau daher nur sehr bedingt reizvoll.

Als Auslöser für die Massenentlassungen nennt Geschäftsführer Herbert von Nitzsch den „Verlust eines großen Reparaturauftrags“ zu Jahresbeginn. Da der Luxusliner „Queen Elizabeth 2“ bereits mehrfach in den Docks der Hamburger Traditionswerft lag, habe man erneut mit einem Auftrag gerechnet. Die Königin der Kreuzfahrtschiffe aber werde in ihrer Heimat überholt – zu einem günstigeren Preis.

Für die entlassenen Mitarbeiter konnten Geschäftsführung, Wirtschaftsbehörde und Arbeitsamt gestern während einer gemeinsamen Pressekonferenz kaum Beschäftigungsalternativen präsentieren. Die Entwicklung eines „maritimen Industrieparks“, der auf freiwerdendem Werftgelände entstehen und möglicherweise einige der Entlassenen auffangen könnte, steckt noch in den Kinderschuhen. Daran ändert auch die „Innovationsstiftung Hamburg“ nichts, die seit gestern einen Vorstand hat und bald auch „maritime Spitzentechnologien“ finanziell fördern soll. An einer Ansiedlung auf dem rund 70.000 Quadratmeter großen Gelände, das durch die „Konzentration auf das Kerngeschäft“ der Werft frei wird, zeigten sich nach Angaben von Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus bislang nur je eine Handvoll Handwerksbetriebe und Mittelständler interessiert.

Auch das Arbeitsamt, das neun Tage lang eine Außenstelle auf dem Werksgelände eingerichtet hatte, bewertet die Perspektive lediglich „verhalten positiv“. 230 Personen wurden beraten, 140 von ihnen seien für Qualifizierungsmaßnahmen vorgemerkt worden. Die Hälfte derer, die eine Kündigung erhalten haben, sind jedoch mehr als 45 Jahre alt. Und für die Älteren, weiß Dienststellenleiterin Ute Roloff, sei es sehr schwierig, woanders unterzukommen.

Die Auffanggesellschaft zur Qualifizierung und Vermittlung der gekündigten Mitarbeiter sei ein großer Hoffnungsträger gewesen, meint Betriebsratschef Tetau und bedauert sehr, daß sie nicht zustande gekommen ist. Verantwortlich für ihr Scheitern sei die Geschäftsführung. Sie hatte keinerlei Mittel zur Verfügung gestellt. Und durch die Kündigung nach den kürzeren tariflichen statt den gesetzlichen Fristen verhindert, daß genügend Kurzarbeitergeld des Arbeitsamtes dafür flüssig wurde.

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