Kein Platz für Gartenzwerge kein Platz mehr

■ Bausenator Schulte will Kleingartengebiete nach illegalen Bewohnern und Bauwerken durchkämmen/Nach jahrelanger Duldung der Betroffenen regt sich Protest

Bunte Gartenzwerge stehen in Reih und Glied, Vögel zwitschern und der Rasen ist frisch gemäht: Im Kleingartengebiet am Waller Fleet hat alles seine Ordnung. Doch das Bild trügt. Slums mit häßlichen Wellblechdächern sieht ein Mitarbeiter von Bausenator Schulte in ferner Zukunft voraus. Brennende Häuser und Besetzung fürchtet gar ein Sprecher des Bausenators. Denn unangenehme Störenfriede hätten sich dort eingenistet. Diese „illegale Wohnnutzung“ müsse fortan unterbunden werden, „ungenehmigte Erweiterungen der Bausubstanz“ ebenso. Mit der Sanierung der Kleingärten am Waller Fleet - so schimpft sich der Baubehörden-Plan im Fachjargon - soll's in Kürze losgehen. Wildwuchs hat dann keine Chance mehr: Illegalen Bewohnern, die bisher vom Bausenator augenzwinkernd geduldet wurden, stehen dann Räumungsklagen ins Haus. Unerlaubten Bauten droht die Abrißbirne.

Manfred Pape, beim Bausenator für Bremens Kleingärten zuständig, deutet auf einen weißen Plan mit vielen grauen Kästchen, eine rote Linie umkreist das anvisierte Gebiet „Waller Fleet“. In der nächsten Woche, so kündigt er an, flattern den ersten acht Kleingärtern im Chrysanthemenweg Briefe der Bremischen Gesellschaft ins Haus. Sie wurde vom Bausenator beauftragt, die insgesamt 1.000 Parzellen im Fleetgebiet genauer unter die Lupe zu nehmen. „Bitte gestatten Sie uns das Betreten ihrer Flächen“, werden die widerspenstigen Bremer dann lesen. Denn sie hatten sich bisher geweigert, den freundlichen Herren Zutritt zu erlauben. Der solle jetzt behördlich durchgesetzt werden.

In Walle stehen die Zeichen auf Sturm: „Wir lassen hier niemanden rein“, wettert Erna Samel aus dem Pfingstrosenweg. Die 79jährige Rentnerin wohnt seit 1947 in Walle und ist Kaisenbewohnerin. Nach dem Krieg hatte sie dort wegen der damaligen Wohnungsnot ein neues Zuhause gefunden. Erna Samel soll es nach Hartmut Spiesecke, dem Sprecher von Bausenator Schulte, auch behalten. „Uns geht es um die illegale Wohnnutzung“, sagt er. Denn Dauerwohnen im Kleingarten ist für alle bis auf die Kaisenbewohner nicht erlaubt. Bauten, die über 20 Quadratmeter Fläche gehen, ebenso nicht. Ausgefallene Wintergärtenpläne können sich die Kleingärtner zukünftig aus dem Kopf schlagen.

Der Bausenator sieht der geplanten Sanierung zähneknirschend entgegen. Das Oberverwaltungsgericht sitze den Bremern im Nacken. Denn das werde in Zukunft kein Recht mehr bei zweifelhaften Bauanträgen sprechen, wenn aus dem illegalen Wohn- und Baugebiet nicht bald ein Dauerkleingartengebiet gemacht werde. Die Bremer hätten mal da willkürlich einen Bauantrag von Parzellisten abgelehnt, anderen zugestimmt. Jetzt müßten alle gleichbehandelt werden. Die Behörde hat in den letzten Jahren so manches Auge zugedrückt.. Doch damit sei jetzt Schluß, sagt der schulte-Sprecher: „Die Sanierung soll den Kleingärtnern nützen. Wenn die Leute jetzt Erhebungen verhindern, können wir ihnen nicht helfen.“

Hilfe jedoch werden die Dauerwohner bitter brauchen. Spiesecke schätzt, daß in den 1.000 Kleingärten am Waller Fleet etwa 200 Dauerwohner leben, „die allerwenigsten davon legal.“ Wenn ihnen die Räumung droht, müssen sie Ersatzwohnungen finden. Für Härtefälle kündigte Spiesecke Wohnungen der Bremischen Gesellschaft an. Auch die Räumung könne verschoben werden, wenn die Bewohner zu alt und pflegebedürftig seien. Doch vor allem geht es hier um junge Leute, die andere Lebensformen auf der grünen Wiese ausprobieren. Kaisenbewohnerin Samel im Pfingstrosenweg kennt einen von ihnen und zeigt mit dem Finger auf ein kleines verwildertes Gärtchen. „Ökogarten nennen die sowas. Aber das ist mir egal. Ich komme mit dem jungen Mann gut aus“, sagt sie. Der wohnt seit einem Jahr allein hier, Freunde von ihm sind sogar mit bis zu fünf Kindern in Walle zuhause. „Ich finde es Scheiße, daß sie uns wie Kriminelle behandeln. Wir haben ein Recht hier zu wohnen, und wollen nicht weg.“ Die kinderreiche Familie sei bereits bei allen Wohnungsgesellschaften durchgeflogen. Die jungen Fleetbewohner haben sich zu Initiativen zusammengeschlossen und kündigen Widerstand gegen die Sanierungspläne an.

Nicht weit entfernt, im Chrysanthemenweg, diskutieren die Kleingärtner von Gartenzaun zu Gartenzaun über die „Illegalen“. Ingetraut Schröder hat nichts dagegen, daß sie hier wohnen. „Doch bei dem wie, da würde ich gerne mitreden.“ Es gebe hier kaum Klos, der Dreck gehe ins Grundwasser, da müsse doch die Hygiene gewahrt bleiben. „Die Leute müssen sich in einen Rahmen einpassen.“ Diese Gelegenheit wird ihnen jetzt kaum mehr bleiben. Wenn die Erhebung der Bremischen Gesellschaft abgeschlossen ist, stehen erste Räumungsklagen an. Die Frauen-Wagenburg mußte bereits ihren Stellplatz in Walle verlassen. Ein erster Schritt, das Waller Fleet kleingarten-tauglich gleichzumachen - für Andersartige bleibt dann kein Platz mehr. Katja Ubben