Vom Umgang mit sensiblen Themen Von Fritz Eckenga

Der gute Mensch quatscht um das Thema gern herum. Und zwar derart konsequent sprachschleimabsondernd, daß im glitschigen Umgang mit ihm das Tragen dickprofiligen Schuhwerks empfohlen sei.

Äußerst unfallträchtig ist beispielsweise das Betreten der Büros gutmenschelnder Radio- und FernsehredakteurInnen, die sich ihre „Verantwortung dem Programm und insbesondere dem Zuhörer/Zuschauer gegenüber ganz bewußt annehmen“.

Nähert man sich also einem Vertreter dieser Spezies, etwa um als von ihm auserkorener Autor den Auftrag für „ein Stückchen für die Vormittagssendung – sagen wir mal so zwei, drei Minuten“ zu besprechen, hat man darauf gefaßt zu sein, daß er den „angedachten Programmbeitrag andiskutieren, die Inhalte ein Stück weit ausloten und die Problematik, vom Grundsätzlichen her, mal differenzieren“ will.

Spätestens nach solch sämiger Eröffnung kann der Auftragnehmer sicher sein, daß „das Thema um eine gesellschaftliche Problemgruppe“ kreist, daß es sich höchstwahrscheinlich um „eine innerhalb des soziostrukturellen Geflechts an den Rändern befindliche Minderheit“ dreht.

Mit anderen Worten: Der Programmhaftpflichtige will den Autor auf einen Beitrag einstimmen, in dem wie auch immer Ausländer, Juden, Roma, Sinti, Schwule, Lesben Behinderte ... das Problem darstellen.

Das Problem ist nur, daß der gute Vorstehmensch der Redaktion „aus der Verpflichtung gegenüber allen Rezipienten heraus“ zwanghaft die Verpflichtung verspürt, sein Autorenopfer für „die Gesamtproblematik zu sensibilisieren“.

Will sagen: Unser Programm sehen und hören nicht nur Ausländer, Juden, Sinti, Roma, Schwule, Lesben, Behinderte ..., sondern auch die, die mit dem Ermorden, Verfolgen, Ächten und Verprügeln dieser Menschen nicht nur kein Problem haben, sondern es mitunter selbst ganz gerne tun. Mein Gott, da ist doch auch viel zahlende Kundschaft drunter. Wir können sie uns schließlich nicht aussuchen.

Sagt aber: „Selbstverständlich müssen wir das Problem in seiner ganzen Tiefe angehen. Wir dürfen aber nie das Empfinden dafür verlieren, daß wir gerade bei der konkreten Benennung etwa von Untaten gegen unsere ausländischen Mitbürger niemals denen in die Hände spielen, die möglicherweise immer noch fremdenfeindliche Ressentiments hegen. Gerade jene gilt es doch herüber auf die richtige – auf unsere Seite zu ziehen. Und deswegen sollten wir uns eines einfühlenden Tones befleißigen. Gänzlich vermeiden sollten wir jeglichen Anflug von Ironie. Die wird nur von den richtigen Leuten richtig verstanden. Und von allen anderen falsch.“

Zugegeben, die wörtlichen Reden sind in dieser Massierung nur noch selten zu hören. Für derart ausschweifende Absonderungen findet selbst der verschnarchteste öffentlich-rechtliche Gutmensch im brutal-hektischen Tagesgeschäft – „mein Gott, das sind die Neunziger“ – kaum noch die Zeit.

Deswegen am Ende schnell noch die topaktuell gültige Kurzsensibilisierung für alle, die es bis hierhin geschafft haben:

„Wir können mit diesen sensiblen Themen nicht sensibel genug umgehen.“

Können wir auch nicht!