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Grenzsicherung nach Osten soll verstärkt werden

■ Innenministerium will Bundesgrenzschutz Strukturreform verpassen, um 5.000 Polizisten an die Ostgrenzen zu schicken. Das neue Konzept schon heute veraltet

Berlin (taz) – Bernd Walter wacht über eine der bestgesicherten Grenzen der Welt. Als Chef des Grenzschutzpräsidiums Ost, mit Sitz in Berlin, kann er auf „die höchste grenzpolizeiliche Dichte in ganz Europa“ verweisen. Für diese Dichte sorgen an der bundesrepublikanischen Grenze zu Polen und Tschechien heute schon fast 5.000 Polizisten des Bundesgrenzschutzes (BGS). Rund 900 Zollbeamte kommen zur Verstärkung noch hinzu.

Und dennoch soll weiter aufgestockt werden. Geht es nach dem Willen von Bundesinnenminister Manfred Kanther, dann werden weitere 1.500 BGSler an die 900 Kilometer lange Grenze zu den östlichen Nachbarländern abkommandiert.

Mitte Juni legte der CDU-Mann Kanther dem Innenausschuß des Bundestages ein Konzept „Zur Neustrukturierung des Bundesgrenzschutzes“ zur Beratung vor. Der Ausschuß ließ die Vorlage passieren. Neben der Sicherung der deutschen Ostgrenze als „einer der zentralen Einsatzschwerpunkte“ sollen jetzt vor allem die Bereiche „Luftsicherheit“ und Bahnpolizei ausgebaut werden.

Seit dem Fall der Mauer 1989 ist die Grenzpolizei Jahr um Jahr ausgebaut worden. Die gesamte Personalstärke stieg von 16.414 auf 28.172 Polizeivollzugsbeamte – das entspricht einer Steigerungsrate von immerhin 72 Prozent. Der Finanzhaushalt des BGS explodierte regelrecht: Mit einer Steigerungsrate von 122 Prozent im gleichen Zeitraum stieg er von 1,32 Milliarden auf satte 2,94 Milliarden Mark.

Die angepeilte Umstrukturierung des BGS soll angesichts der zurückliegenden Zuwachsraten und der knappen öffentlichen Mittel in den kommenden drei Jahren kostenneutral erfolgen. In Kanthers Konzept heißt es deshalb: „Zur Deckung des Personalbedarfs in den neuen Aufgabenschwerpunkten des BGS muß also vorhandenes Personal verlagert werden.“ Als Deckungsmöglichkeiten dafür kämen „besonders die an der ehemaligen innerdeutschen Grenze noch zahlreich lozierten BGS-Verbände“ in Frage. Was harmlos klingt, hat für die Beamten weitreichende Folgen. Das Innenministerium möchte 11 der bundesweit 21 BGS-Kasernen schließen. Nach ersten Schätzung in Kanthers Ressort macht das neue BGS-Konzept „rund 5.800 Personalbewegungen erforderlich“.

Der Aufschrei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Die GdP-Untergliederung „Bezirk BGS“ schäumte in ihrem Pressedienst: „sozial unverträglich, unausgegoren und zu teuer“. Bezirksvize Jörg Radek: „Dieser Plan gibt zwar vor, den BGS nach modernen Anforderungen weiterzuentwickeln und effizient zu sein. In Wahrheit sind wesentliche Teile daraus jedoch genau das Gegenteil.“ Kanthers Konzept enthalte zwar auch wichtige Ansatzpunkte, dies heiße aber nicht, „daß gleich 11 von 21, also mehr als 50 Prozent der bestehenden Verbandsstandorte geschlossen werden und die betroffenen rund 5.000 Beamte ihre Wohnorte wechseln müssen“. Ebenso wie die Bonner Beamtenschar fürchten auch die BGSler den Umzug in Richtung Osten.

Den Mitgliedern des Innenausschusses ließen die Gewerkschafter schriftlich aber einen erheblich gewichtigeren Einspruch zukommen: „Dem Aufgabengebiet Grenzsicherheit – Stichwort Ostgrenze – wird eine vordringliche Priorität eingeräumt“, heißt es in dem Brief. Und weiter: „Diese Beurteilung der Lage mag für 1996 stimmen. Sie berücksichtigt jedoch nicht die für das Jahr 2006 angesetzte EU-Erweiterung z.B. um Polen.“ Und in der Tat: In Kanthers 23seitigem Konzept findet die politisch gewollte Erweiterung der Europäischen Union an keiner Stelle auch nur eine Erwähnung. So wird die großangelegte Strukturreform des Bundesgrenzschutzes wohl Stückwerk bleiben und eine weitere anschließende Neustrukturierung schon heute wahrscheinlich. Paul Neumann

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