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Ende des Feudalismus

■ Rußland ist auf dem Weg in die Rechtsstaatlichkeit

Boris Jelzin hat einen komfortablen Sieg errungen. Und zum ersten Mal in der tausendjährigen Geschichte des Landes sitzt ein Staatsoberhaupt im Kreml, das aus wirklich freien Wahlen hervorgegangen ist. Die Radikalen, ob Nationalisten oder „Stalinisten“, haben eine Abfuhr erhalten. Rußland hat einen gewaltigen Schritt nach vorn gemacht. Nicht zuletzt belegt gerade das Verhalten des Verlierers, der Kommunisten, diesen Fortschritt. Sie sind enttäuscht, beinah sprachlos, aber sie halten sich an die Spielregeln, die Verfassung wird respektiert. Für Rußland, das mit dem Recht immer haderte, beginnt nun tatsächlich der Weg in die Rechtsstaatlichkeit.

Mit der Stimme für Boris Jelzin, dem Symbol des anderen Rußlands, haben sich die Bürger trotz vieler Schwierigkeiten für das demokratische Modell und gegen die jahrhundertelange Isolation des Riesenreiches entschieden. Die Epoche des Feudalismus geht ihrem Ende entgegen. Die Bürger wissen ihre Freiheit und Unabhängigkeit zu schätzen. Trotz aller Unberechenbarkeit des Zaren Boris hat er sich doch als eine Art aufgeklärter Monarch erwiesen, der seinem Volk die Vorzüge der offenen Gesellschaft vor Augen führte und ihm die Wahl ließ. Die Macht will er nicht aus den Händen geben, aber sie soll demokratisch legitimiert sein. Seine Mission hat er damit erfüllt. Wenn es ihm jetzt gelingt, einen neuen Reformschub zu initiieren – wenngleich im Moment nicht allzuviel dafür spricht –, führt er zu Ende, was Peter der Große vor 300 Jahren anvisierte, ohne zu ahnen, von wie vielen Rückschlägen das Vorhaben begleitet sein wird.

Noch sind die Rudimente des Feudalismus jedoch nicht beseitigt. Gerade weite Teile der Landbevölkerung votierten für die Vergangenheit – eine zeitlose Zeit. Das Land blieb bisher außen vor, die Neuzeit hat die ländliche Provinz noch nicht erreicht. Rußland ist eben ein riesiges Land, in dem sich historische Prozesse alles andere als synchron vollziehen und auf zigtausend Quadratkilometern Geschichte nicht einmal meßbar ist. Doch den Kreml und ausnahmslos alle Reformer trifft daran die Hauptschuld, das Schicksal des Dorfes war ihnen gleichgültig, wie allen Herrschern vor ihnen. Sonst wäre die russische Gesellschaft nicht so gespalten, wie sie es gegenwärtig ist. Klaus-Helge Donath

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