: NS-Ideologie für die Nachwelt
Das Städtische Museum in Braunschweig zeigt kommentarlos das gesamte Werk des Nazi-Künstlers Paul Hähndel. Gesponsert wurde die Ausstellung von der Witwe Hähndels ■ Aus Braunschweig Jürgen Voges
„Der Opfer gedenken – nicht der Täter“, fordert ein drei Meter breites Transparent, das die jungen Antifaschisten während der hitzigen Debatte im Eingangssaal des Städtischen Museums in Braunschweig in die Höhe halten. Die Museumsangestellten und Kunstwissenschaftler, die an diesem Dienstag abend drei Stunden lang auf empörte Redebeiträge antworten müssen, sitzen direkt vor einer Reihe jener kriegsverherrlichenden Gemälde, die diesen Braunschweiger Nazi-Kunst-Skandal ausgelöst haben.
„Fertigmachen“ lautet der Titel des zwei mal eineinhalb Meter großen Ölschinkens, der im Mittelpunkt der dem Nazi-Künstler Paul Hähndel „gewidmeten“ Ausstellung steht. Das Bild zeigt fünf junge schlank-muskulöse Soldaten in Landsergrau, die mit entschlossenen Mienen Waffen und Ausrüstung anlegen, sich „fertig machen“ für den Angriff. Das Urteil der Ausstellungsmacherin Brigitt Frielinghaus fällt an diesem Abend vor den dreihundert gleichermaßen kunstinteressierten wie erregten BraunschweigerInnen eindeutig aus: Eine „Aufforderung zum totalen Krieg“ sei das Bild und ein „im Sinne der NS-Ideologie ausgezeichnetes Werk“. Das Bild sei „regelrecht gefährlich, wenn man es nicht verstanden hat“.
Ähnliche Sätze kann man auch in dem Arbeitsbericht zu der Paul- Hähndel-Ausstellung finden, der für 15 Mark im Museum zu erwerben ist. In der Nazi-Kunst-Ausstellung selbst allerdings – der Eintritt ist kostenfrei – sucht man Kommentare weitgehend vergebens.
Vor den Werken Hähndels und seiner Lehrer stehen Vitrinen mit NS-Zeitschriften oder Briefen des Malers, in einem weiteren Raum hängt zentral ein Hitler-Porträt, das einer der Lehrer Hähndels schon vor 1933 gefertigt hat.
Als von der „NS-Ideologie verführt“ stellt das Faltblatt des Museums den jungen auf eine Reichskünstlerkarriere bedachten Nazi- Maler dar. „Sein Förderer war kein Geringerer als der NS-Ministerpräsident“, heißt es rühmend, und kommentarlos wird erwähnt, das Hähndels Bild „Fertigmachen“ schon 1941 in München im „Haus der deutschen Kunst“ ausgestellt wurde. Im Städtischen Museum des sehr früh nazibraunen Braunschweig hat es 1942 schon einmal eine Werkschau von Hähndel gegeben, nachdem der aufstrebende Heldenmaler selbst „mit 27 Jahren im Rußlandfeldzug gefallen“ war.
Daß aus der NS-Werkschau nun ein lokaler Kunstskandal wurde, ist den jungen Braunschweiger Antifaschisten zu verdanken. Die haben am vergangenen Freitag einige der Bilder aus gutem Grund abgehängt. Ihr Anlaß für diese Aktion: Direkt vor den Nazi-Schinken fand nämlich eine Gedenkfeier für elf von den Nazis in Braunschweig 1933 ermordete Gewerkschafter und Kommunisten statt, die der DGB alljährlich im Städtischen Museum veranstaltet.
Einigen Bruanschweigern war immerhin auch schon die feierliche Eröffnung der Ausstellung gegen den Strich gegangen. Denn da hatte die Witwe des Malers, die aus dem frühen Heldentod ihres Gatten nichts gelernt hat, vor dem Bild „Fertigmachen“ auch noch Blumen niedergelegt. „Da fehlten dann zum Altar nur noch die Kerzen“, kommentiert der Braunschweiger Kunstprofessor Heino Möller.
Das mit den Blumen hat Oberkustos Franz Josef Christiani auch nicht gewollt. Überhaupt kommt er immer wieder auf die Witwe des Malers zu sprechen, wenn das Publikum eine ganz andere Ausstellung fordert: etwa eine, die die NS- Schinken in ihren Propagandazusammenhang stellt, sie mit Kommentartafeln oder großen Fotos der Opfer von Krieg und Terror konfrontiert. Selbst die jungen Antifaschisten, die die sofortige Schließung der NS-Werkschau verlangen, wären mit einer kritischen Ausstellung einverstanden.
Doch einem solchen Ausstellungsprojekt stand von vornherein schon die Witwe des Malers entgegen. „Wir haben doch das Werk Hähndels erstmals in den NS-Kontext gestellt“, rechtfertigt sich am Dienstag abend der hilflose Oberkustos, schon das sei für die Witwe „ein erheblich Schock gewesen“. Die Witwe hat nicht nur den gesamten Nachlaß ihres Mannes dem Museum geschenkt, sie ist auch mit 30.000 Mark Sponsorin der Werkschau und hat außerdem eine „Paul-Hähndel-Stiftung“ zur Förderung junger Künstler mit einem Kapital von 100.000 Mark ausgestattet.
Der Errichtung dieser Stiftung hat sogar der Braunschweiger Stadtrat freudig zugestimmt. „Die Grundidee, in diesen Zeiten der Geldknappheit auch fördernd tätig zu werden“, sei doch nicht von vornherein schlecht, beschreibt Oberkustos Christiani das Tauschgeschäft, mit dem sich eine käufliche Stadt die Ehrung eines Nazi- Künstlers bezahlen läßt. Da man nach dem jetzigen Kunstskandal jedoch kaum noch normale junge Künstler als Hähndel-Stipendiaten ehren kann, soll die Stiftung nun wohl oder übel umbenannt oder aufgegeben werden. Dies deutet zumindest der Braunschweiger Kulturdezernent Hans-Peter Conrady an.
Die Braunschweiger Bürger jedoch, die ein Abhängen der Nazi- Bilder fordern, vergleicht der SPD-Mann eben mal mit Adolf Hitler: Der habe schließlich auch die Reinigung der Museen von entarteter Kunst befohlen.
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