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Hilflos vor der Geschichte ?

■ 50. Jahrestag der Befreiung: Hamburgs schwieriges Gedenken des 3. Mai 1945

In der kommenden Woche jährt sich zum 50. Mal der Tag der kampflosen Kapitulation Hamburgs. Als englische Militärs am 3. Mai 1945 die Befehlsgewalt über die Stadt übernahmen, lagen ganze Viertel in Schutt und Asche. Von den ehemals 20.000 Hamburger Juden vegetierten noch etwa 600 in Verstecken, ein Drittel der Bevölkerung war nach dem Feuersturm im Juli 1943 geflohen.

Im Konzentrationslager Neuengamme waren über 106.000 Menschen ermordet worden oder an Hunger, Entkräftung und Krankheiten gestorben. Die überlebenden Häftlinge aus Neuengamme und anderen Lagern waren am Mittag desselben Tages in der Lübecker Bucht an Bord mehrerer Schiffe von britischen Flugzeugen bombardiert worden, bei dem Angriff starben über 8000 Menschen.

Mit der Erinnerung an die Verbrechen des Nazi-Regimes hat sich Hamburg in den vergangenen Jahrzehnten nicht leicht getan. Immer wieder kam es zu peinlichen Diskussionen um Ehrungen oder Straßenbenennungen: Der Ernst-Thälmann-Platz ist winzig, die Hindenburgstraße gibt es immer noch.

Auch die 50. Wiederkehr des Tages, an dem für Hamburg der Krieg endete, ist nicht frei von faden Begleiterscheinungen. Daß die KZ-Gedenkstätte Neuengamme in unwürdiger Eile innerhalb von nur drei Monaten umgestaltet werden mußte, gehört zu den Umständen, die bei den Feierlichkeiten vermutlich nicht erwähnt werden.

Auch Bürgermeister Voscheraus Aufruf zum großen Staatsakt auf dem Rathausmarkt löst mit einigen Formulierungen Befremden aus. Da können die vielen, schon fast zu zahlreichen Gottesdienste, Ausstellungen, Lesungen und Gedenkfeiern in dieser Woche, gekrönt vom Besuch des englischen Thronfolgers, eine gewisse Hilflosigkeit im Umgang mit der Geschichte nicht verdecken.

Die taz hamburg widmet dem Thema „Vor 50 Jahren und heute“ in dieser Ausgabe die Seiten 27 bis 29 und den nebenstehenden Kommentar. C. Hönck / Foto: M. Scholz

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