Der unbequeme Außenseiter

■ Werner Schroeter über Der Menschenfeind von Molière

Der Regisseur Werner Schroeter sitzt beim Chinesen in der Bremer Reihe und beäugt das Defilee der Journalisten gelassen durch seine Sonnenbrille. Nebenan, im Schauspielhaus, läßt er gerade das Vorzimmer eines Pariser Stadtpalais entstehen. Es ist noch nicht privat und doch knapp davor: eine Zwischenwelt zwischen Straße und Boudoir, in der das Leben sich abspielt. Hier trifft die Welt sich und spricht vom Hofe, amüsiert sich: die Verehrer Célimènes und ihr Liebhaber, Alceste.

Letzterer ist Der Menschenfeind, der an den anderen herumkrittelt und -nörgelt, dem es keiner recht machen kann. Er lebt im Dissens mit der Gesellschaft, in der er unglücklich ist. Im Salon von Célimène, wo schöne Worte und höfische Intrigen vorherrschen, in der ordentlich segmentierten Gesellschaft des 18. Jahrhunderts, ist er der einzige, der querschießt und das Unbequeme fordert. Dabei wird er doch kein Vorbild, kein erhebender Anblick – sondern eine Witzfigur, so lächerlich wie eklig und dabei doch überzeugend.

Der Menschenfeind, sagt Werner Schroeter, „ist das schwierigste Stück, weil es keinerlei Utopie hat, aber auch keiner Utopie widerspricht. Bei der Inszenierung muß man dauernd aufpassen, es nicht in eine Richtung zu bringen, es zu dunkel oder zu hell werden zu lassen“. Auch das Spiel, die Kostüme, das Bühnenbild sollen den Text nicht festlegen, nicht wegheben in eine barocke Entfernung. So entspricht das Bühnenbild eher inneren Zuständen, schwebt zwischen mehreren Epochen. „Der Inhalt des Stückes ist wichtig genug“, meint Schroeter, der sich erst nach einigen Wirren mit einem Vertrag für dieses Stück wiederfand. „Wer sich dieses Stück wünscht, ist wahnsinnig. Es aber abzulehnen wäre genau wie den König Lear abzulehnen.“

Auch mit einer Equipe, in der er nur mit Marcus Boysen schon mehrfach Erfahrungen machte, findet die eigentliche Erarbeitung des Stoffes für Schroeter erst während der Proben statt. „Die Ideen, die man vorher im Kopf hat, stimmen meistens nicht. Man kann nicht behaupten, daß ein X ein U ist. Wenn die Leute nicht passen, wenn die Ideen die Person nicht treffen, funktioniert Der Menschenfeind nicht. Außerdem ist ist es ein Stück, bei dem man am liebsten jeden Abend einen anderen Schluß spielen würde!“

Thomas Plaichinger

30. April und 4./5. Mai, Deutsches Schauspielhaus, jeweils 19.30 Uhr