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Ökologie nach Betriebsstruktur

■ Behörde liefert wertvolle Wiesenbrüterflächen der Intensivnutzung aus

Mit Bauernschläue ziehen die Landwirte aus der Rissen-Sülldorfer Feldmark gegen den Naturschutz vor ihrer Haustür zu Felde. Das jedenfalls werfen ihnen Umweltschutzverbände und der bezirkliche Altonaer Grünausschuß vor: Den bezirklichen Beschlüssen von 1995 zum Trotz soll für das 1036 Hektar große Talauen-Gebiet im Hamburger Westen jetzt weder ein Bebauungs- noch ein Grünordnungsplan verabschiedet werden. Diese Pläne hätten die ökologisch wertvollen Wiesenbrüter-Flächen gesetzlich vor Bebauung sowie intensiver landwirtschaftlicher Nutzung geschützt.

Statt dessen soll jetzt ein völlig unverbindlicher „Kooperationsvertrag“ zwischen der Hansestadt, dem Bauernverband und dem Gartenbauverband Nord geschlossen werden. Auf Geheiß der Stadtentwicklungsbehörde (Steb) und zur alleinigen Freude der Landwirte, die bereits wenig naturschonende Intensiv-Beackerung planen.

Jahrelang waren sich Bezirk und Steb einig darüber, daß das letzte zusammenhängend erhaltene Hamburger Geestgebiet besonders schutzbedürftig sei. „Kiebitze, Rotschenkel, Austernfischer, Große Brachvögel und andere Tiere von der Roten Liste nisten hier“, bestätigt Michael Kretzschmar vom Naturschutzbund (Nabu). Doch die 14 Landwirte – sie bewirtschaften knapp 60 Prozent der Rissen-Sülldorfer Feldmark – drohten mit Abwanderung, falls sie noch mehr Flächen brachliegen lassen müßten. Ihre Existenz sei bedroht, wetterten sie, zunächst erfolglos:

Noch im vergangenen Dezember erklärte Steb-Senator Thomas Mirow (SPD) in einem Schreiben an Wirtschaftssenator Rittershaus, einzig ein Grünordnungsplan könne unliebsamen Bebauungsvorhaben wie „Golfplatzanlagen und Ponyreitstellen“, mit denen die Landwirte ihr Einkommen aufbessern wollten, „entgegenwirken“. Außerdem hätte der Grün-Plan festgelegt, welche Fläche wie genutzt, gedüngt und mit Pesti- oder Herbiziden behandelt werden dürfte.

Die plötzliche Mirow'sche Kehrtwende jetzt zu begründen, fällt seinem Sprecher Bernd Meyer sichtlich schwer: Ein Kooperationsvertrag sei eben ein „flexibleres Instrument“, das sich zudem „schneller umsetzen“ ließe. Doch GALier Lars Andersen aus dem Altonaer Grünausschuß beklagt, daß ökologische Ziele in dem der taz vorliegenden Vertragsentwurf bloß als „Soll-Bestimmungen“ gehandelt werden. Individuelle Verträge, so Andersen, verhinderten zudem eine „einheitliche Betrachtung der Feldmark“ sowie öffentliche Kontrolle: Der Kooperationsvertrag ist nicht öffentlich einsehbar.

Und so erklärt sich auch der „große Optimismus“ von Bauernverbands-Präsident Wilhelm Grimm: Was künftig als ökologische Brachfläche ausgewiesen wird, „orientiert sich an der Betriebsstruktur der Höfe“, lachte der sich gestern ins Fäustchen. Heike Haarhoff

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