Furcht vor Islamisierung Afghanistans

■ Neuer UN-Gesandter will Gesetzentwurf untersuchen

Köln (taz) – Der neue UN-Sondergesandte für Afghanistan ist besorgt über die Pläne der afghanischen Regierung, strikte islamische Verhaltensregeln einzuführen. Der 59jährige deutsche Diplomat Norbert Holl, der am letzten Mittwoch von UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali ernannt wurde, kündigte gegenüber der Deutschen Welle an, die neuen Regeln müßten „untersucht werden“.

Der frühere Direktor der Südostasienstelle im Auswärtigen Amt lehnte weitere Kommentare ab. Er berichtete lediglich: „Als ich letztes Jahr in der Kabuler Universität war, war ich sehr beeindruckt über den großen Frauenanteil unter Studenten und den Professoren.“ Nach seinen Angaben liegt der Frauenanteil an der Universität der afghanischen Hauptstadt bei etwa 40 Prozent.

Neue Regeln zur Befolgung islamischer Vorschriften waren von Afghanistans neuem Premierminister Gulbuddin Hekmatjar vorgelegt worden. Vor Regierungsangestellten erklärte der Islamistenführer in der letzten Woche, die Regierung sei gegen die „illegale Vermischung“ von Frauen und Männern. Frauen dürften zwar in Büros arbeiten, müßten sich jedoch „anständig und würdig“ kleiden.

Hekmatjar ist der Anführer der im Krieg gegen die Kommunisten massiv von der CIA unterstützten Hesb-i-Islami. Bis zum Mai befand sich die Miliz im Krieg mit den Truppen des Präsidenten Burhanuddin Rabbani. Am 26. Juni trat Hekmatjar dessen Regierung bei. Laut einem Friedensabkommen führt er für ein halbes Jahr eine Interimsregierung. Sie soll eine neue Verfassung ausarbeiten und Wahlen durchführen. Rabbani hofft, auch andere Kriegsparteien in die Regierung einzubeziehen.

Die islamistische Talibanmiliz, die große Teile Afghanistans kontrolliert, hat unterdessen sämtliche Gespräche abgelehnt. Hekmatjars Ernennung zum Regierungschef honorierte sie mit Raketenangriffen auf Kabul. 62 Zivilisten kamen dabei ums Leben. Insgesamt starben in dem Bürgerkrieg bisher rund 1,5 Millionen Menschen.

Norbert Holl ersetzt den früheren tunesischen Außenminister Mahmud Mestiri als UN-Gesandter. Mestiri trat im Mai zurück, angeblich wegen Gesundheitsproblemen. Zuvor hatten jedoch mehrere afghanische Gruppen seinen Rücktritt gefordert.

Holl sagte der Deutschen Welle, ein Deutscher wäre eine „gute Wahl“ als Unterhändler in Afghanistan, weil die Afghanen wüßten, daß Deutschland keine politischen Interessen in der Region habe: „Praktisch alle Afghanen, die ich getroffen habe, gleich welcher politischen Gruppe sie angehörten, trauen den Deutschen.“ Hugh Willamson