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Gescheitert am Negativimage DDR

Trotz Konkurs wollen die Motorradbauer von MuZ nicht aufgeben, doch ihnen bleibt nur die vage Hoffnung auf einen malaysischen Investor  ■ Aus Zschopau Ulrike Fokken

Die rote Plastikschachtel mit den Din-125er-Scheiben ist leer. Auch die Abdeckklappen in dem Kästchen daneben hat der Lagerist nicht aufgefüllt, die Distanzstücke li. und re. braucht ebenfalls kein Monteur mehr in der 160 Meter langen Montagehalle der Motorrad- und Zweiradwerke GmbH (MuZ) im sächsischen Hohndorf. An guten Tagen haben die zwölf FacharbeiterInnen in den vergangenen vier Jahren bis zu 55 Motorräder der Marke Skorpion zusammengesetzt. „Seit einigen Wochen geht gar nichts mehr“, sagt Petr- Karel Korous und knetet seine Hände noch stärker als zuvor.

Der 40jährige Korous ist seit 1992 Geschäftsführer der damals neu gegründeten Motorrad- und Zweiradwerke. Zusammen mit zwei anderen Geschäftsführern versuchte er, das Unternehmen aus den Miesen zu holen. Doch auch rund 40 Millionen Mark Bürgschaften und Zuschüsse von Bund und Land konnten an den Defiziten nichts ändern. Am Freitag mußte Korous in Chemnitz zum Amtsgericht gehen und Gesamtvollstreckung beantragen.

Je eine Million Mark haben Korous und seine Geschäftspartner verloren. „Das ist wie ein vorübergehender K.o.“, sagt Korous, der als Wirtschaftsprüfer in Vorwendezeiten die Konzernrevision bei Nixdorf leitete und früher mit anderen Zahlen rechnete.

Die Marke MZ habe eben immer noch dieses „Negativimage DDR“, zumindest in Europa, am meisten natürlich in Deutschland. 60 Prozent der Einzylinder-Zweitakter und des neu entwickelten Einzylinder-Viertakters „Skorpion“ wurden in Ostdeutschland verkauft. 1995 hat MuZ weltweit nur 3.280 Motorräder abgesetzt. In diesem Jahr haben die ArbeiterInnen nicht einmal 1.000 Stück montiert. Da MuZ so kleine Stückzahlen baut, entsprechend wenig Teile von den Lieferanten benötigt, sind die Kosten für das Unternehmen hoch. Da die Fertigungstiefe mittlerweile bei 28 Prozent liegt, also die meisten Teile für die Motorräder zugeliefert werden, hat MuZ Monat für Monat enorme Summen vorschießen müssen.

„Das ist eben kein Selbstläuferprodukt“, sagt Korous, biegt die Handflächen der verkneteten Hände nach außen und zieht die Schultern hoch. Kein Unternehmen in Deutschland habe in den vergangenen Jahren mit so vielen Partnern verhandelt wie er. Und als er am 19. Dezember 1995 endlich den Vertrag mit dem malaysischen Investor Hong Leong Industries Berhad paraphiert hatte, konnten sich Bund und Land nicht entscheiden, dem zuzustimmen. „Das ist wie beim Kinder kriegen“, sagt Korous. Es gibt bestimmte Abhängigkeiten. Der Vergleich gefällt ihm. „Wenn sie ein Baby – so wie ich – selbst geboren haben, wollen sie ja nicht, daß es nach vier Jahren tot ist.“ Also hat er weiter verhandelt und wird auch in den nächsten Tagen weiter verhandeln. Die Wirtschaftsspezialisten in Bonn und Dresden haben sich immer noch nicht entschlossen, ob ihnen der malaysische Mischkonzern mit 30 Milliarden Mark Umsatz im Jahr in Hohndorf genehm ist. Die Malaysier jedenfalls haben Korous gestern morgen am Telefon gesagt, daß sie weiterhin bereit sind, 50 Millionen Mark zu investieren. Und Korous gibt sich weiter optimistisch: „MuZ hat schon immer Motorräder gebaut und wird es auch in Zukunft tun.“

„Es geht weiter, aber nur sehr schwer“, sagt auch Christian Steiner. Er kam 1951 zu den damals gerade aus der DKW-Autounion hervorgegangenen Motorradwerken Zschopau (MZ). Bei der neuen MuZ betreut Steiner den Rennsport. „Das ist die billigste Variante der Werbung für Motorräder“, sagt Steiner, der glänzende Augen bekommt, wenn er von Einzylindern und Zweitaktern spricht. „Die haben wir ja eigentlich erst salonfähig gemacht“, sagt der weißhaarige ältere Herr.

Sein Blick schweift durch die Montage- und Fertigungshallen. Konkursverwalter Bruno Kübler hat zwar alle 170 KollegInnen am Montag ins Werk bestellt, aber die wenigen Menschen verlieren sich zwischen Werkbänken und Eisenregalen. „Das sind höchste Anforderungen an die MitarbeiterInnen hier“, sagt Steiner. Die müßten nämlich äußerst flexibel sein. Erst 100 Schellen schweißen, dann 50 Ringe an den Rahmen schweißen, dann Rohre vernieten. „Alles erstklassige Leute hier“, sagt Steiner. „Ob die sich bei der Treuhand eigentlich jemals Gedanken über die ostdeutsche Wirtschaft gemacht haben“, fragt er sich, wenn er gerade mal nicht an MZ-Rennen denkt.

„Vorher waren wir unbesiegbar“, sagt Steiner. „Jetzt haben wir ordentlich einen abgekriegt.“

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