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: Herr Kohl, schleichans Eana!

Vom Salzburger Land aus, das eigentlich sowieso zu Deutschland gehört, ist es eine Lust, sich in die österreichischen Verhältnisse einzumischen. In dieser Gegend, am Wolfgangsee, verdrängt unser Bundeskanzler nicht nur zweimal im Jahr die Wassermassen, hier, in Salzburg, war es auch, wo er den verdienten Wehrmachtsangehörigen Kurt Waldheim für das Amt des Präsidenten empfahl. Aber Salzburg ist nicht Wien! Daß zeitgleich zum Besuch Kohls Österreichs schönste Ladenkette an das Piefke-Unternehmen Rewe verscheuert wurde, zeugte schon von einem bedauerlichen Mangel an Taktgefühl. Aber Kohl hat noch weit größeren, irreparablen Schaden angerichtet.

Nicht nur brachte er es fertig, Kollegen Vranitzky öffentlich das Du anzutragen, sondern er begründete diese Anmaßung auch noch mit einem verpatzten Zugriff auf das, was den Österreichern wirklich heilig ist: dem Sinn für Rangklassen und soziale Distanz.

Hat dieser ignorante Dörfler doch behauptet, das Du sei in der k.u.k. Armee „vom Leutnant bis zum Generalfeldmarschall“ Usus gewesen und eben diesem Brauch wolle er sich anschließen. Jedes Kind in der „Alpenrepublik“ weiß, daß der Rang eines Generalfeldmarschalls in der kaiserlich-königlichen Armee niemals existiert hat.

„Feldmarschall“ hätte es korrekterweise heißen müssen! Was aber das Du anlangt, so war es nicht laxen Umgangsformen in der k.u.k. Armee geschuldet, sondern entsprang der Standessolidarität der Aristokratie, die das Offizierscorps beherrschte. Also z.B.: Du. Herr Oberst! Der Bourgeois Kohl wäre also eingeklemmt worden zwischen dem doppelten Du der Feudalen und der Arbeiterklasse. Ihm wäre nur das Sie geblieben. Äußerste österreichische Höflichkeit brachte Bundeskanzler Vranitzky dazu, lediglich anzudeuten, er habe mit dem „Generalfeldmarschall“ „seine Schwierigkeiten“. Kurz und bündig hätte seine Antwort an den deutschen Trampel vielmehr gelautet: Sie, schleichans Eana!

Christian Semler