Der Planet der Hühner Von Mathias Bröckers

Seit der Schwabe Roland Emmerich als „Spielbergle“ in Hollywood mit seiner Special-effects- Materialschlacht „Independence Day“ die Kassenrekorde bricht, sind UFOs und ihre außerirdischen Besatzungen wieder ein Thema.

Die Zahl der UFO-Sichtungen hat in den USA deutlich zugenommen, und wenn der Film im Herbst hier herauskommt, blüht am deutschen Himmel ähnliches. Der Film verbindet den Mythos, nach dem außerirdische Intelligenzen spätestens seit einem UFO-Absturz 1946 anwesend sind – und die Regierungen mit ihnen im geheimen kooperieren – mit dem klassischen Westernmotiv, bei dem ein Fähnlein Aufrechter gegen eine Übermacht des Bösen reitet und am Ende doch gewinnt. Im Sinne gängiger Verschwörungstheorien soll mit solchen Filmen die Bevölkerung schonend auf den Schock vorbereitet werden, den die Begegnung mit den Außerirdischen bedeutet.

Wenn außerirdische Lebensformen mit uns Kontakt aufnehmen wollen, warum landen sie dann nicht einfach im Garten des Weißen Hauses, vor den Kameras von CNN? Seit von Däniken die Berufsskeptikerfrage mit der Aufforderung konterte: „Stellen Sie sich vor, Sie müßten diplomatischen Kontakt mit Hühnern aufnehmen“, gilt es, zumindest einen Schritt weiter zu denken. Was wäre, wenn UFOs, Außerirdische, Engel nicht übernatürlich wären, sondern wir Menschen schlicht und einfach unternatürlich? Ein Planet von Hühnern, die sich für die Krone der Schöpfung halten, und die sich doch nur permanent bekriegen, von höherer Intelligenz oder gar kosmischer Weisheit keine Spur. Im Moment könnten Außerirdische mit dieser ziemlich idiotischen Hühnerrasse, die sich Homo sapiens nennt, wenig anfangen. Daß die Besucher aus dem All, wie die Ufolklore behauptet, an den Erdlingen wegen der menschlichen Emotionalität interessiert sind, die in ihrer eigenen, hochrationalen Rasse auszusterben droht; daß sie deshalb Entführungsopfer schwängern und in geheimen unterirdischen Basen mit Menschenmaterial experimentieren – diese Vorstellung ist mal wieder typisch für die Hybris des humanen Hühnerhaufens: Wenn ausgerechnet der vor Mord und Totschlag wimmelnde Planet Erde das letzte Refugium für Emotion, Gefühle, Liebe sein soll, muß es sich bei diesem gesamten Universum um eine gigantische Fehlkonstruktion handeln. So unwahrscheinlich es also ist, daß im Kosmos die Emotionen knapp werden und die Erde seit 1946 extraterrestrisch ausgesaugt wird – so wahrscheinlich ist das UFO- und Außerirdischenphänomen sehr viel älter; genauer betrachtet (wie Jacques Vallee in seinen Büchern zeigt) begleitet es die Menschheit von Anfang an.

Mit Himmelswagen und fliegenden Palästen, als Götter und Engel, Riesen und Elfen – in allen Mythen und Märchen sind Außerirdische präsent. Und verlangt nicht schon der kleine ET Rumpelstilzchen im Tausch gegen die High-Tech des Stroh-zu-Gold-Spinnens „der Königin ihr Kind“ für seine Genexperimente? Sah nicht schon Goethe „wundersam erleuchtete Amphitheater“ am Wegesrand schweben? Nicht „Sie sind da ...!“ ist die heißeste Nachricht in Sachen UFOs, sondern die Fortsetzung – „... und zwar schon immer!“