: Kinkel am Kap: Schöne Worte, wenig Taten
■ Trotz Abkommen: Die EU hält Südafrika von ihren Märkten fern
Johannesburg (taz) – Bundesaußenminister Klaus Kinkel trifft heute in Johannesburg ein, um sich mit Präsident Nelson Mandela, Innenminister Mangosutu Buthelezi sowie Außenminister Alfred Nzo auszutauschen und nebenher ein Goethe-Institut zu eröffnent. Begleitet von einer 20köpfigen Wirtschaftsdelegation, die Investitionsmöglichkeiten im südlichen Afrika sondieren will, fliegt er anschließend nach Mosambik, Botswana und Simbabwe.
Der Besuch steht unter dem Motto einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen den Staaten der Southern African Development Community (SADC) und der Europäischen Union, die im Herbst 1994 die „Berliner Erklärung“ unterzeichnet hatten. Das Abkommen strebt Kooperation auf den Feldern Wirtschaft und Handel, Sicherheitspolitik, Umwelt und Tourismus an. Kinkel, der gerne betont, diese Initiative ins Leben gerufen zu haben, wird sich jedoch von den Gastgebern fragen lassen müssen, was seither geschah. Gerade in Wirtschaftsfragen ist das Verhältnis zwischen EU und SADC gespannt. Unterstützt von seinen Nachbarländern, schlug Südafrika ein langfristiges Handelsabkommen im Rahmen der Lomé-Verträge vor, die den sogenannten AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) bevorzugten Zugang zu den europäischen Märkten einräumen. Die Brüsseler Kommission lehnte das Ansinnen ab und bot statt dessen eine Freihandelsvereinbarung an, die 40 Prozent der von Südafrika nach Europa exportierten Agrargüter ausschließt.
Nun stecken die Verhandlungen in einer Sackgasse. Der Entwurf laufe im Grunde darauf hinaus, „daß die Europäer sich besseren Zugang zu unseren Märkten sichern wollen, während sie für die SADC-Staaten das europäische Tor verengen“, kritisiert Faizel Ismail, Direktor im südafrikanischen Handelsministerium. Außerdem: „Ein Freihandelsabkommen garantiert keineswegs anwachsende Investitionen.“
Erst hätten die Europäer versprochen, den schwierigen Prozeß des Übergangs in Südafrika zu unterstützen, jetzt versuchten sie, sich durch die Hintertür Exportvorteile zu erschleichen. So lautet der Tenor der enttäuschten Wirtschaftspolitiker am Kap. Klaus Kinkel, der Vater der „Berlin-Initiative“, wird seinen Gastgebern außer schönen Worten wenig entgegenhalten können und sie auf Windhoek vertrösten. In der Hauptstadt Namibias wollen EU- und SADC- Minister im Oktober eine Folgekonferenz veranstalten – um die Folgenlosigkeit des Berliner Gipfels zu debattieren, wie böse Zungen spotten.
Immerhin bringt Kinkel den Südafrikanern ein kleines Geldgeschenk mit: 50 Millionen Mark, bereitgestellt von der Kreditanstalt für Wiederaufbau, ein Zuschuß für das Wohnbauprogramm am Kap. Die Beschenkten werden sich artig bedanken; eine echte Parnterschaft würden sie vermutlich vorziehen. Aber die in Kinkels Troß mitreisenden Wirtschaftsvertreter werden sich vermutlich so ähnlich verhalten wie ihre Kollegen, die im Vorjahr Gerhard Schröder nach Johannesburg begleiteten. „Die haben mehr Geschäfte unter sich abgeschlossen als mit den Südafrikanern“, verriet der Landesfürst aus Niedersachsen. Bartl Grill
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