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Funkgerät „Dicky“ unter dem Sofa

■ Ein teurer Spaß: Der kleine Lauschangriff eines Vegesackers gegen seine Vermieterin

as dem Bundesinnenminister Kanther lieb ist, daß ist Peter D. schon lange billig. Zur Gefahrenabwehr in eigener Sache probte der arbeitslose Maurer in Vegesack schon mal vorsorglich den ganz kleinen Lauschangriff.

Opfer der vorbeugenden Neugier des 34jährigen: die Geburtstagsgesellschaft seiner Vermieterin Waltraud H., die Peter D. mittels des Kinder-Walkie-Talkies „Dicky“ im März letzten Jahres von seiner Wohung aus mit Interesse verfolgte. Bislang darf das noch nicht einmal der Bundesinnenminister, und ein arbeitsloser Maurer wie D. erst recht nicht, wie das Amtsgericht Blumenthal schon in einer ersten Sitzung befunden hatte. Gegen den Strafbefehl von 600 Mark hatte D. dennoch Einspruch eingelegt, „da ich mich sehr unschuldig empfinde.“

Trotz dieser Empfindung hat der alkoholkranke D. anscheinend ein etwas zu ernstes Interesse am nicht öffentlich gesprochenen Wort seiner Vermieterin gehabt. Schließlich herrschte zwischen den beiden Krieg. Waltraud H. wollte D. rausschmeißen, weil der angeblich ihren Wohnraum verlottern ließ. Ein unbewältigtes Techtelmechtel der beiden stand im Raum, und D's Lebensstil war der Vermieterin eine Nummer zu hart: „Immer dieser Geruch von Bierdosen und Zigarettenkonsum. Ich habe mich geschämt, wenn alle zwei Wochen drei oder vier Gelbe Säcke vor der Tür standen, alle voll mit Bierdosen.“ Regelmäßig tauschten also Vermieterin und Mieter Nicklichkeiten aus, die darin gipfelten, daß sich der vor verschlossener Tür stehende D. mit einer einstweiligen Verfügung wieder in seine Bude klagte.

Da lag es nah, die Nachlässigkeit der H. beim Abschließen auszunutzen und unter dem Vermieter-Sofa das mit Isolierband auf Dauerbetrieb arretierte Funkgerät „Dicky“ zu deponieren. Neben der berechtigten Häme wegen des gelungenen Streiches genoß D. nun auch noch einen Informationsvorsprung. Bei der Geburtstagsparty, so D.'s Verdacht, würde die Vermieterin mit ihren Anverwandten seinen Rausschmiß beraten.

Damit lag der Freizeitagent tatsächlich richtig. H. und Söhne schimpften über D's Lebenswandel und loteten die rechtlichen Möglichkeiten aus, den unliebsamen Untermieter kaltzustellen. Der hörte mit und konnte beim Abmarsch der Geburtstagsgesellschaft im Treppenhaus verkünden: „Wir können sofort eine Wohnungsbegehung machen, wie ihr das besprochen habt. Ich bin vorbereitet.“ Erst das rote Lämpchen unter dem Sofa brachte H. auf die Spur des scheinbar durch nichts zu überraschenden Mieters - „Dicky“ hatte seine Schuldigkeit getan, aber munter weiter geblinkt. Als D. dann auch noch am nächsten Tag permanent um die H. herumscharwenzelte und Ausflüchte suchte, nur mal eben kurz in die fremde Wohnung zu gelangen, war für Waltraud H. der Fall klar.

Das sah auch Amtsrichter Pawlik so, der sichtlich keine Lust hatte, sich auf die turbulente Beziehungskiste der beiden Beteiligten einzulassen, und gar kein Verständnis für D.'s „Unfug - milde ausgedrückt“ aufbrachte. Ihn interessierten weder D's Beteuerungen, er könne sich ein solches Gerät gar nicht leisten, noch weitere Details zu den Ursprüngen der Vegesacker Abhöraffäre. Dem Gericht ging es nur um den privaten kleinen Lauschangriff, und der ging nach Auffassung des Amtsgerichts ganz klar rechtswidrigerweise auf D.'s Kappe. Pawlik: „Daß Sie da Widerspruch eingelegt haben, ist wirklich hanebüchen.“ Das Resultat: 600 Mark waren und bleiben fällig. Und damit wirklich klar wurde, daß das Abhören keine Privatsache ist, bekam „Dicky“ einen neuen Herren: den Staatsanwalt.

Lars Reppesgaard

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