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SSW-Pleite kam nicht überraschend

■ Seebeck-Vulkan-intern – aus dem Bericht des Konkursverwalters (2): Seit Jahren nur Verluste

Was hat eigentlich den Vulkan-Verbund ins Trudeln gebracht? War die Krise für die Führungsetage nicht absehbar, wenn seit Jahren die Millionen-Beihilfen für die Ost-Werften strukturelle Defizite in den West-Unternehmen decken sollten? Auf diese Fragen konnte Bremerhavens Konkursverwalter Wolfgang van Betteray in seinem internen Bericht an die Gläubiger noch keine schlüssige Antwort geben. War den Konzern-Chefs die Lage überhaupt nicht bewußt, aufgrund eines „völlig unzureichenden Controlling“? Oder gab es ein Controlling – aber die Erkenntnisse wurden den Aufsichtsgremien nicht rechtzeitig mitgeteilt?

Klar war, daß die Schichau-Seebeck-Werft seit Jahren „maßgeblich vom Konzern gestützt wurde“. Heißt: mit Verlust gearbeitet hat. Der Vorstand der SSW hatte sich so daran gewöhnt, daß van Betteray kritisch anmerkt, „die Wiederherstellung der eigenen Ertragsfähigkeit“ sei „nicht mit höchster Dringlichkeitsstufe versehen“ worden.

Auf 78 Millionen summierte sich der Kredit, den die SSW offiziell aus dem Cash Management des Vulkan im Laufe der letzten Jahre bekommen hatte. Da die Geldflüsse und Verrechnungspreise zwischen den Vulkan-Töchtern aber zentral gesteuert wurden, ist der wahre Subventions-Betrag auch aus der Bilanz nicht zu erkennen. In den Jahren 1991 bis 1994 stand unter dem Strich immer ein geringfügiger – bis dann 1995 das Kartenhaus zusammenbrach und der Bilanzausgleich nicht mehr funktionierte. Plötzlich stand im Ergebnis ein „nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ von 133 Millionen da. Zinsaufwendungen von über 10 Millionen Mark Jahr für Jahr haben schon früher angezeigt, daß die Eigenkapitalbasis nicht so dick war.

Schon die Ausgangslage nach der Schließung der AG „Weser“ war von hohen Belastungen und zu geringem Eigenkapital (zunächst nur 8 Mio) gekennzeichnet: Eine „chronische Unterkapitalisierung“ sei das gewesen. Zwar bauten die Bremerhavener Werften Arbeitsplätze ab, aber viel zu wenig, um „hohe Unterbeschäftigungskosten“ zu vermeiden. Die SSW übernahm in ihrer Not Container-Aufträge um die 20 Prozent unter Selbstkosten. Innerhalb von drei Jahren summierte sich der Liquiditätsverlust auf 73 Millionen. Schon 1994 hätte der Werftvorstand, wenn der Vulkan-Verbund nicht eingesprungen wäre, die „Überschuldung“ feststellen müssen, schreibt Werftvorstandsvorsitzender Hans Tempel.

1994 war das Jahr, in dem der Vulkan kurz vor dem Wahlkampf mit SPD-Spitzenkandidaten Wedemeier über erforderliche Werftsubventionen verhandelte. 110 Millionen sollten in die Schichau-Werft fließen. Wie das legal an den EU-Wettbewerbsrichtlinien vorbei hätte bewerkstelligt werden können, wußte damals niemand. Das bei der C+L-Treuarbeit bestellte Gutachten kam zu dem Ergebnis, so SSW-Vorstand Tempel, daß auch mit einer solchen Investition die Schichau-Werft nicht kostendeckend auf dem Markt würde arbeiten können. Deshalb „gab es in der damaligen Ampel-Koalition Vorbehalte“ die 110 Millionen aus der Staatskasse rüberzuschieben.

Seitdem sind zwei Jahre ins Land gegangen. Zusammenfassend der Konkursverwalter van Betteray: „Die möglicherweise erst mit erheblicher Verspätung bekanntgewordene Schieflage deutet ... darauf hin, daß innerhalb des Konzerns Managementprobleme in qualitativer Hinsicht mit unmittelbarer Auswirkung auf den Konzern und mittelbarer Auswirkung auf die Konzerngesellschaften bestanden.“ Schön formuliert. K.W.

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