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Israelischer Geheimdienstler gesteht Doppelmord

■ 1984 zertrümmerte ein Agent zwei palästinensischen Busentführern im Gaza-Streifen die Schädel. Der Mordbefehl kam vom Schabak-Chef persönlich

Tel Aviv (taz) –„Ich bin stolz auf alles, was ich getan habe“, erklärt Ehud Jatom gegenüber der israelischen Tageszeitung Jediot Ahronot. In einem heute erscheinenden Interview gesteht der 48jährige General des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schabak und Bruder des derzeitigen Mossad-Chefs einen Doppelmord: Vor zwölf Jahren habe er zwei jungen unbewaffneten palästinensischen Gefangenen im Gaza-Streifen mit einem schweren Stein die Schädel zertrümmert. Der Befehl dazu sei von dem damaligen Schabak-Chef Abraham Schalom persönlich gekommen.

Die beiden Getöteten hatten zuvor mit zwei weiteren Palästinensern einen israelischen Bus der aus Tel Aviv kommenden Linie 300 entführt und gedroht, die Insassen zu erschießen. Bei der Erstürmung des Busses durch eine israelische Spezialeinheit wurden zwei der Geiselnehmer getötet, die anderen wurden unverletzt überwältigt und weggefahren.

Ein Lügengeflecht des Geheimdienstes

Unmittelbar nach der gescheiterten Busentführung hatten die israelischen Behörden behauptet, alle vier Geiselnehmer seien bei der Erstürmung erschossen worden. Dieser Version widersprachen jedoch zahlreiche Journalisten und Fotografen, die gesehen und auch fotografiert hatten, wie zwei der Attentäter lebendig festgenommen wurden. Die Veröffentlichung der Bilder führte zu einer Untersuchung der Ereignisse.

Danach fabrizierte der israelische Geheimdienst verschiedene falsche Versionen des Vorgangs. Schließlich schob er die Hauptschuld für den Tod der beiden Gefangenen dem damaligen Fallschirmjägerkommandanten und heutigen Verteidigungsminister Jizhak Mordehai zu.

Wichtige Einzelheiten kamen ans Tageslicht, als einige hohe Schabak-Offiziere aus dem Geheimdienst ausschieden. Um den Schabak zu retten, ließ sich der damalige Staatspräsident Chaim Herzog (Arbeitspartei) überreden, das in den Mord verstrickte Geheimdienstkommando komplett „vorbeugend zu begnadigen“, also gegen jede mögliche polizeiliche oder gerichtliche Verfolgung abzuschirmen. Unter den so Geretteten befand sich auch Ehud Jatom, der erst jetzt nach einer 24jährigen Schabak-Karriere in den Ruhestand geht.

Inzwischen hat ein Militärgericht den Fallschirmjägergeneral Jizhak Mordehai von aller Schuld freigesprochen. Der oberste Staatsanwalt verlangte damals die Entlassung des damaligen Schabak-Chefs Abraham Schalom. Jedoch stellte sich das damals regierende Kabinett der nationalen Einheitsregierung aus Likud und Arbeitspartei hinter den Geheimdienst, und der Chef durfte weiter im Amt bleiben.

In seinem Interview in Jediot Ahronot gesteht Ehud Jatom nur einen Fehler bei der ganzen Aktion ein: die Anwesenheit von Medienvertretern. Über sich selbst sagt Jatom, er sei einer der wenigen Schabak-Leute, die aus der Affaire seelisch heil herausgekommen seien und auch noch weiter Karriere gemacht hätten.

Der Befehl zum Doppelmord kam per Funk

Freimütig erzählt Jatom, wie die beiden palästinensischen Gefangenen von sämtlichen anwesenden Militärs und Geheimdienstleuten schwer verprügelt wurden, bevor er sie schwerverletzt mit einem LkW zum weiteren Verhör abtransportierte. Unterwegs habe er dann über Funk den Mordbefehl seines obersten Chefs erhalten und ihn pflichtbewußt ausgeführt. Denn: „Ich kann sagen, daß ich unter vier Ministerpräsidenten gegen Terroristen gekämpft habe, und daß dies der richtige Weg ist.“ Nur „die sauberen moralischen Hände des Schabak“ könnten erledigen, „was in einem demokratischen Staat zu erledigen ist“. Amos Wollin

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