: Die Sösetal-Ente
■ Was kommt aus unseren Wasserhähnen? Eins nicht: Harzwasser
„Bremer Wasser wird knapp,“ so verbreiteten vor Wochen hiesige Radiostationen und Zeitungen (auch die taz) eine dpa-Meldung. Die Sösetalsperre im Harz sei nicht einmal mehr zur Hälfte voll. Notfalls müßten die von den Harzwasserwerken belieferten Städte auf Grundwasserreserven zurückgreifen. Eine betrübliche Vorstellung machte sich in Bremen breit: Das vorzügliche und leckere Harzwasser, welches aus unseren Wasserhähnen sprudelt, versiegt. Statt dessen kommt irgendein Chlorwasser aus einem Pestizidbrunnen. Und Auto waschen wird auch verboten.
Die Meldung und ihre Folgen sind ein schönes Beispiel dafür, wie sich ein liebgewordener Mythos fortpflanzt – daß die Bremer ihr Trinkwasser aus dem Harz bekämen, ist eine alte Ente. Worauf die Bremer so stolz sind, kommt zu 15 Prozent aus einem Blumenthaler Brunnen; ein bißchen beziehen die Stadtwerke aus Liebenau bei Nienburg, mal auch was aus Ostfriesland und Verden, das meiste aber kommt aus einem Brunnen in Ristedt bei Syke. „Hervorragende Qualität“, sagen die Stadtwerke, eins der drittbesten Wässer bundesweit, wohlschmeckend und von vornherein so sauber, daß kein Chlor benutzt werden muß. Aber aus dem Harz? Unsinn!
Für das Mißverständnis gibt es zirka drei Gründe. Erstens wurde 1934 mit viel Pomp tatsächlich eine Wasserleitung Harz-Bremen eingeweiht. 200 Kilometer lang, 60 Zentimeter stark – das war ein Ereignis. Bis in die sechziger Jahre, als der Brunnen in Liebenau gebohrt wurde, tranken die Bremer Sösewasser. Sowas vergißt man nicht so schnell. Zweitens: die Brunnen in Ristedt und Liebenau gehören den Harz-Wasserwerken, und wer Liebenau und Ristedt nicht kennt, vermutet falsch, daß die Harz-Wasserwerke Harzwasser lieferten. Und drittens ist Wasser so immens wichtig für den Menschen, daß er sich ohne Not niemals von der schönen Vorstellung trennen würde, daß sein Wasser aus einer blauen Talsperre im grünen Harz käme.
Weitgehend verdrängt sind ja die schlechten Jahre: als man in Bremen Weserwasser trank. Bis 1983 (die Älteren erinnern sich noch) hing es vom Stadtteil ab, ob gutes oder mäßiges Trinkwasser aus dem Hahn kam. Die Weserwasser-Aufbereitungsanlagen sind heute unwiderruflich außer Betrieb. Neuerding überlegen die Stadtwerke angesichts der Preisentwicklung bei Trinkwasser jedoch, ob man nicht wieder aufs Weserwasser zurückgreifen sollte. Eine reine Marktfrage. Bis eine neue Aufbereitungsanlage allerdings steht, vergehen vier bis fünf Jahre.
Die Wasserversorgung in Deutschland ist ohnehin fast wie die Stromversorgung vernetzt, um Spitzenverbräuche und Brunnenausfälle zu kompensieren. Und so wäre es unter Umständen sogar denkbar, daß wir hier wirklich einmal Original-Sösewasser bekämen: Wenn sich das ganze Harzvorland, Göttingen, Hildesheim inklusive Hannover entschließen würden, kein Wasser mehr zu entnehmen - dann würde Harzwasser bis nach Bremen durchkommen. Die Annahme ist höchst theoretisch. BuS
Wo wir schon mal beim Aufklären sind: Auch die feste Überzeugung vieler Biertrinker, „Beck's“ würde über eine eigene Pipeline mit Harzwasser versorgt, ist natürlich falsch. Richtig ist, daß Beck & Co. bevorzugt mit Wasser aus dem Bereich der Rotenburger Rinne beliefert wird, weil die Wasserqualität am besten zum Produktionsverfahren paßt. Die eigene Pipeline ist zwei Kilometer lang und reicht vom Wasserwerk zur Brauerei. Prost!
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