Artenschmuggel im Hoch

Immer mehr Urlauber haben geschützte Korallen und Riesenmuscheln im Reisegepäck. Unwissenheit schützt vor (Haft-)Strafe nicht  ■ Von Michael Obert

Am Frankfurter Flughafen stoßen Zollbeamte im Passagierbereich immer häufiger auf Andenken aus geschützten Korallen und Riesenmuscheln. Meist sind sich die heimkehrenden Urlauber keiner Schuld bewußt, doch dieser Artenschmuggel hat ernste rechtliche und ökologische Folgen.

Mehr als 38 Millionen Passagiere und rund 1,4 Millionen Tonnen Luftfracht werden am Frankfurter Flughafen jährlich abgefertigt. Die Zollbeamten entdecken jeden Tag zwei bis drei nennenswerte Fälle von Artenschmuggel. In der Hauptreisezeit verfünffacht sich diese Zahl. Im vergangenen Jahr wurden bei Stichproben 12.836 geschützte Tiere und Pflanzen sichergestellt. „Vor allem Korallen und Riesenmuscheln nehmen in letzter Zeit überhand“, erklärt Gero Heimroth, Pressesprecher des Zollamtes am Frankfurter Flughafen. In der Regel werden bei einem ertappten Touristen bis zu drei Stücke gefunden – 1995 waren das allein in Frankfurt rund tausend Einzelexemplare.

In den tropischen Küstenriffen werden die Korallen in großen Menge gebrochen und, teilweise bunt bemalt, als Souvenirs an Touristen verkauft. Besonders betroffen sind nach Angaben der Zollbehörden die Malediven und die karibischen Inseln. Darüber hinaus sind auch die Riffe vor Venezuela, Indonesien und den Philippinen vom systematischen Abbau der Korallenbestände bedroht. Windige Händler überzeugen ausländische Besucher meist ohne große Probleme, daß die Einfuhr der angebotenen Waren in ihr Heimatland unbedenklich sei. Die Andenken sind für Urlauber verlockend exotisch und billig – die ökologischen Folgen dagegen fatal.

„Die Korallenriffe vor den betroffenen Küsten sind bereits größtenteils abgestorben“, erklärt Holger Rönitz, Pressesprecher des World Wide Fund for Nature (WWF) in Frankfurt. Die dort heimischen Fische, Pflanzen, Schalentiere und Kleinstlebewesen verlieren ihre Lebensräume und wandern auf die rote Liste der vom Aussterben bedrohten Arten. Nach Ansicht von Experten existieren in der gesamten Karibik nur noch in den Küstengewässern von Costa Rica und Panama intakte Korallenriffe. „Vor der Dominikanischen Republik lebt bald nichts mehr, und vor Florida ist jetzt schon alles tot“, sagt Rönitz.

Für mehr als 8.000 Tier- und 40.000 Pflanzenarten gibt es strenge Schutzbestimmungen. Diese beinhalten lebende und tote Tiere und Pflanzen sowie die aus ihnen gefertigten Erzeugnisse. Vom Aussterben bedrohte Arten, die im Washingtoner Artenschutzabkommen genannt sind – darunter fallen auch Korallen und Riesenmuscheln –, unterliegen einem völligen Handelsverbot. Nur in besonderen Fällen, wie beispielsweise zu wissenschaftlichen Zwecken, dürfen sie mit einer Ausnahmegenehmigung des Aus- und Einfuhrlandes gehandelt werden.

Ein großer Teil der illegalen Andenken wird aus Unwissenheit mitgebracht. Neben internationalen Naturschutzverbänden haben sich deshalb auch Reiseveranstalter zum Ziel gesetzt, dem Artenschmuggel durch intensive Aufklärung ihrer Kunden entgegenzuwirken. Marco Dadomo, Pressesprecher der Deutschen Reisebüro GmbH, erklärt dazu: „Wer bei uns eine Fernreise bucht, den weisen wir automatisch mit einem Prospekt auf die ökologischen Probleme der Naturentnahmen hin.“

Auch über die möglichen rechtlichen Folgen informiert der Reiseveranstalter, denn für den Urlauber birgt das „unbedenkliche“ Souvenir oft böse Überraschungen. Bereits beim Verlassen des Ferienlandes oder bei der Ankunft am deutschen Flughafen kann der erworbene Gegenstand beschlagnahmt werden. „Immer wieder legen uns die heimkehrenden Urlauber eine Kaufquittung vor oder wollen ihren Kopf mit den Versprechungen des Verkäufers aus der Schlinge ziehen, es würde sich beim Andenken um Zuchtkorallen handeln“, berichtet Zollexperte Heimroth. Das Gesetz sieht für solche Verstöße satte Geldbußen und in schweren Fällen sogar Haftstrafen bis zu fünf Jahren vor.