Das Portrait: Gewandelter Jurist
■ Sevket Kazan
Er ist noch keinen Monat im Amt. Der türkische Justizminister Sevket Kazan hat in dieser kurzen Zeit eine höchst zweifelhafte Berühmtheit erlangt, weil er den Dialog mit den Hungerstreikenden in den Gefängnissen des Landes ablehnt. „Wir möchten keine Kompromisse abschließen“, sagt Kazan und droht den Hungerstreikenden: „Wenn sie weitermachen mit dem Hungerstreik, werden wir gewährte Rechte zurücknehmen.“ In den Augen des Justizministers sind die Hungerstreikenden „Feinde“, die es zu „besiegen“ gilt.
Dabei fordern die Gefangenen ein Grundrecht ein, das höchste richterliche Instanzen auch zugestanden haben: Solange Menschen nicht verurteilt sind, sollen sie in Gefängnissen in den Städten, in denen auch die Gerichtsverhandlungen stattfinden, untergebracht werden.
Kazan ist Jurist. Er müßte es wissen. Er hat die Brandstifter von Sivas verteidigt. Diejenigen, die 37 Intellektuelle, die zu einer Konferenz in die zentralanatolische Stadt gereist waren, durch Feuer in den Tod schickten. Als Verteidiger hat er sich damals vehement dagegen gewandt, daß die Angeklagten in Gefängnissen untergebracht werden, die weit von ihren Heimatorten entfernt sind.
Aber schließlich handelt es sich bei den Angeklagten um religiöse Eiferer, die durch eine Brandstiftung die Lästerer des Islam bestraften. Die Hungerstreikenden sind dagegen Kommunisten.
Kazan ist Mitglied der islamistischen Wohlfahrtspartei. Er gehört zu den einflußreichsten Männern in der Partei. Bereits in den siebziger Jahren war er als Justiz- und Arbeitsminister im Kabinett. Als Oppositionspolitiker hat er gern vom „islamfeindlichen Rechtssystem“ geredet, wenn verschleierte Frauen nicht als Beamtinnen zugelassen wurden. Nach Eintritt in die Regierung scheint er seine Probleme mit dem türkischen Rechtssystem beiseite gelegt zu haben.
Sein Amtsvorgänger Mehmet Agar, ehemals berüchtigter Polzeipräsident, hatte erklärt, er werde vielen in den Gefängnissen „Schmerz zufügen“. Als Oppositionspolitiker äußerte sich Kazan damals kritisch zu Menschenrechtsverletzungen. Die Zeiten haben sich geändert. Agar ist heute Innenminister. Und Kollege Kazan führt brav die Geschäfte des Todes und des „Schmerzzufügens“ weiter. Ömer Erzeren
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