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Befreit nicht vom Körperschicksal

■ Die Hamburger Frauenzeitung diskutiert in ihrer neuen Ausgabe den Cyberspace

Das Thema Neue Medien nimmt seinen Weg durch die alten, und so hat auch die neugeborene Hamburger Frauenzeitung (HFZ) die Cyberdinge für sich entdeckt. „Cörper und Komputer“ titelt also die Nummer 49 der HFZ, eines der ältesten noch existierenden Frauenzeitungsprojekte der Republik. Nach halbjähriger Konstitutions- und Umzugspause hat die neue Redaktion vergangene Woche das Juli-bis-Septemberheft von der Druckmaschine gepflückt.

„Can Cyberspace be Weiberspace?“ fragt kokett das Editorial, und die Antworten, die in fünf Beiträgen gegeben werden, klingen nach „mag sein, aber...“. Auftakt macht Tanja Paulitz mit „Virtuelle Schwestern – was Frauen im Internet machen und wozu es ihnen dient.“ Gegenseitige Bestätigung sei ein „prägender Gesprächsgestus im Frauennetz“, schreibt Paulitz und versäumt zu erklären, was doch mißtrauisch macht. Warum legen sich Frauen im Netz gegenseitig das Schutzmäntelchen der vertraulichen Verschwörung um? Könnte die Kommunikation im Netz, nach wie vor das Vergnügen einer mit Computern wohlausgerüsteten Minderheit, nicht andere Umgangsformen herausfordern als die der oft besungenen integrativen Schwesternschaft?

In „Cybertopia“ wehrt sich Petra Sabisch gegen das Heilsversprechen, das im Diskurs über die Neuen Medien auch von linker Seite reproduziert wird. Wer sagt denn, daß ausgerechnet in der Virtuellen Realität die feministische Subversion ihren Ort hat? Laut Sabisch dienen die Neuen Medien einigen Linken offenbar als Projektionsfläche, um historisch bedingte Ohnmachtsgefühle abzuladen, und sei es im ihnen unbekannten virtuellen Raum.

Auch Steffi Gräfe warnt in „Körper, Kopfgeburten“ davor, den Rechner zum Instrument zu stilisieren, welches das unterdrückte Geschlecht von seinem Körperschicksal befreie. Wenn wir schon nicht wissen, ob sich der Körper je aus dem Raster der Zweigeschlechtlichkeit herausholen läßt, so werden wir es am Computer jedenfalls nicht herausfinden, meint Gräfe.

Die aktuelle Gretchenfrage – wie hälst du's mit dem Cyberspace – polarisiert auch die feministische Debatte. Wie groß ist das Porno-Potential der virtuellen Welt, werden Macker im Cyberspace eher domestiziert oder breiten sie sich ungestört aus? Ärgerliche und konter-subversive (Sabisch in der HFZ) Allianzen mit dem Staat bilden sich wieder einmal, wo frau sich mit Zensurforderungen der anarchischen Ausdehnung des vernetzten Raums entgegenstellen will.

Manche Kritik an den Computertechnologien als neuen Bastionen des Patriarchats klingt leicht paranoid. Vor Verfolgungswahn verwahrt sich die HFZ; ein Eingeständnis fehlt dennoch: Frauen haben tatsächlich die Entwicklung einer neuen Technologie verpennt und die Zeit, die sie in der vor-kommerziellen, spielerischen Phase des Mediums gehabt hätten, nicht genutzt.

Wie leicht, die aufkommende Panik, etwas verpaßt zu haben, nun mit Skepsis zu verkleiden und die eigene mangelnde Beteiligung in Ausgrenzung umzudeuten. Um Frauen jedoch aus dem Weg zu drängen, ist die Netz-Männerwelt viel zu indifferent. Und wohin auch? Schließlich ist der Cyberspace grenzenlos.

Ulrike Winkelmann

Hamburger Frauenzeitung, Nr. 49, Juli/September 1996, 67 Seiten, sechs Mark.

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