■ Querspalte: Was wiegt ein Dieb?
Das Diebstahlswesen ist in der Zeitungslandschaft deshalb ein so beliebtes Wesen, weil es täglich von sich reden macht und somit die leeren Spalten füllt. Vergangenen Freitag, beispielsweise, wurden in Köln 13.000 Mark, in Stuttgart ein Pitbullterrier und in Berlin mindestens eine Handtasche gestohlen. Da das Diebstahlswesen aber auch in Flensburg, Hanau und Bietigheim-Bissingen sein Unwesen treibt, muß man wohl davon ausgehen, daß auch dort die Zeitungen über ähnliche Fälle berichtet haben.
Heute, lieber Leser, ist in jeder Tageszeitung, die etwas auf sich hält, eine Meldung in der Rubrik „Vermischtes“ zu finden, die mit dem Satz beginnt: „Ein Baumarkt in Spiegelau (Niederbayern) geht bei der Bekämpfung von Ladendiebstahl neue Wege ...“ Darauf folgt die Nachricht, besagter Baumarkt habe am Eingang eine Personenwaage aufgestellt, auf der jeder Kunde vor und nach dem Einkauf gewogen wird. Hat er beim Hinausgehen mehr als 20 Gramm zugenommen, muß er sich einer Personenkontrolle unterziehen. Raffiniert!
Neue Autos haben sie schon, die elektronische Wegfahrsperre. Jetzt ist also auch der Mensch dran. Die Weglaufsperre gegen Ladendiebstahl mit eingebauter Taschenkontrolle. Was aber, wenn der Dieb mit Bleigewicht in den Hosentaschen den Baumarkt betritt und dann leichter wieder hinausgeht? Nun, wir werden die Meldungen aus Spiegelau weiter verfolgen und selbstverständlich darüber berichten. Denn auch unser Verleger ist ein Freund des Ladendiebs. Ohne ihn kein Polizeibericht, ohne Polizeibericht keine Leser, ohne Leser keine Anzeigen, ohne Anzeigen kein Verleger. Organisierte Kriminalität nennt man das.
Unter den Diebstahlsmeldungen der letzten Tage war die schönste diese: Das von Versicherungsbetrügern am häufigsten gestohlen gemeldete Auto in Deutschland ist der Ost-Wagen „Trabant“, weil die Versicherung mehr bezahlt als jeder Gebrauchtwagenhändler. Sehr schön. Bitte mehr davon. Philipp Maußhardt
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