: „Ich will nur noch nach Hause“
■ Der Brite Arthur B. (39) saß in dem in Mahlow angegriffenen Auto und wurde leicht verletzt
taz: Sie waren gestern nicht auf der Demo. Warum nicht?
Arthur B.: Ich bin kein Filmstar. Ich möchte nicht vor Hunderten von Fernsehkameras und Mikros stehen. Meine Freunde und ich sind jetzt die bekanntesten armen Leute in Deutschland. Ich bin nur ein einfacher Arbeiter, der in einen schlimmen Unfall geraten ist. Ich bin aber glücklich über die Demonstration. Jetzt merken die Menschen, die Angst haben, daß sie nicht allein sind.
Sehen Sie Mahlow oder Deutschland jetzt anders?
Mahlow ist nicht mehr das Dorf, das es vorher war. Daß es Leute gibt, die sagen, ihr habt unseren Frieden zerstört, damit muß man leben. Ich habe nichts gegen Mahlow. Einige Leute hießen uns willkommen. Das war ein gutes Gefühl. Ich hatte vorher in England viel im Fernsehen über Neonazis in Deutschland gesehen. Doch nicht alles im Fernsehen stimmt. Ich dachte, Deutschland wäre toll. Aber wie kann ich jetzt sagen, daß es toll ist, wenn mein Freund im Krankenhaus liegt? Auch wenn viele Leute den Unfall bedauern, würde ich jedem Schwarzen abraten, nach Mahlow zu gehen. Wenn ich mich entschuldige und auf deinem Fuß stehenbleibe, was ist das?
Wie haben Sie vor dem Unfall in Mahlow gelebt?
Mahlow ist kein Dorf, wo man auf der Straße langläuft und Kontakte macht. Du kannst den Haß der weißen Menschen gegen dich spüren, weil du schwarz bist. Ein soziales Leben hatten wir nicht. An unseren freien Tagen sind wir lieber nach Berlin gefahren, wo Schwarze sind und wo wir Reggaemusik hören können.
Haben Sie eine Erklärung für den Übergang von verbalem Rassismus zu offener Gewalt?
Ich weiß nicht, ob der Angriff rassistisch ist oder die Tat von nicht ausgewachsenen Leuten. Aber ich bin mir sicher, daß der Steinwurf nicht von langer Hand geplant war. Wir waren an diesem 16. Juni schon länger nicht in Mahlow gewesen, weil unser Job auf der Baustelle dort beendet war. Wir waren auf dem Weg zu einer neuen Baustelle. Die Jugendlichen konnten also nicht wissen, daß wir vorbeikommen würden. Vorher wurden wir nie körperlich angegriffen, nur verbal. Wir hatten uns daran gewöhnt. Der Angriff mit dem Stein war total uncharakteristisch.
Sie und der dritte Mitfahrer wurden letzte Woche stundenlang vernommen. Hatten Sie der Polizei nicht schon alles erzählt?
Ja, sicher. Aber jetzt mußten wir alles noch einmal erzählen. Aber das ist okay. Ich war beeindruckt. Nachdem die ersten Vernehmungen nach dem Unfall reine Routine waren, haben sie diesmal nichts ausgelassen.
Haben Sie sich seit dem Angriff verändert?
Der Unfall hat meine Augen geöffnet. Ich bin nicht mehr so vertrauensselig. Jetzt weiß ich, daß die Menschen mit ihren Gesichtern lachen und ihren Herzen hassen. Ich will nur noch nach Hause. Interview: Barbara Bollwahn
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