: Streik in Berlin ist geplatzt
■ Warnstreiks zu Tarifverhandlungen im Einzelhandel. Erste Pleite zum Sommerschlußverkauf in Berlin
Berlin (taz/dpa/AP) – Pünktlich zum Beginn des Sommerschlußverkaufs sollte es so richtig losgehen: Mit zahlreichen Warnstreiks im Einzelhandel wollten die Gewerkschaften Druck auf die Arbeitgeber in den laufenden Tarifverhandlungen ausüben. Doch schon am ersten Tag der Schnäppchenjagd ließ die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) einen Streik in Berlin platzen. Der Grund für die Absage: Die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) hatte am Sonntag mittag in einem Aufruf den Streikort publik gemacht. Damit, so meinte die DAG, sei die Geschäftsleitung frühzeitig gewarnt. Ein Erfolg des Streiks sei nicht mehr gewährleistet. Nach der Absage der DAG sagte auch die HBV den gemeinsam geplanten Warnstreik ab. In Flugblättern beschuldigten sich die Bezirksleitungen beider Gewerkschaften gestern gegenseitig, den Warnstreik vereitelt zu haben. Die DAG hatte ihre Mitglieder aufgefordert, die Arbeit wie immer aufzunehmen, da „die HBV bereits am Sonntag mittag die Presse darüber informiert hatte, wo gestreikt werden soll“, erklärte Berlins DAG-Sprecher Roland Tremper. In einem HBV-Flugblatt hieß es prompt: „DAG-Streikleiter knickt weg“. Der HBV-Bezirksvorsitzende Manfred Birkhahn sagte: „Es wäre dem Management überhaupt nicht möglich gewesen, in der kurzen Zeit nach unserer Streikmeldung Aushilfskräfte zu besorgen. Der Arbeitgeber ist jetzt der lachende Dritte.“ In Kiel klappte es gestern dagegen, hier bestreikten rund 90 Beschäftigte ein Warenhaus. In einem Interview im Norddeutschen Rundfunk sagte der DAG-Vorsitzende Roland Issen, der Auftakt des Sommerschlußverkaufs sei nicht der zentrale Aktionstag. Er betonte, die kommenden Streiks richteten sich nicht gegen die Verbraucher, sondern gegen die Arbeitgeber.
In den Tarifverhandlungen des Einzelhandels fordern die Gewerkschaften fünf Prozent mehr Lohn und Gehalt für die Beschäftigten. Die Arbeitgeber sollen verbindlich zusagen, daß sie für mehr Ausbildungsplätze sorgen. Außerdem sollen sie weiterhin die hundertprozentige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall garantieren. Im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen tarifliche Regelungen zu den verlängerten Ladenöffnungszeiten ab November dieses Jahres. Auszubildende unter 18 Jahren, Schwangere und Alleinerziehende sollen danach abends nicht arbeiten müssen. Außerdem fordern die Gewerkschaften, daß Beschäftigte zusätzliche Abendarbeit mit erhöhter Freizeit ausgleichen können. Für den langen Donnerstag gilt in den meisten Bundesländern bisher: Wer nach 18.30 zwei Stunden arbeitet, darf dafür drei Stunden freinehmen. Die Arbeitgeber wollen diese Regelung reduzieren. Die Verhandlungen werden jeweils auf Landesebene geführt. Bisher blieben die mehr als 60 Tarifrunden ergebnislos. KL
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