: Schon wieder: Li macht Peng
■ China hat pünktlich zur Genfer Teststoppkonferenz eine Atombombe gezündet – diesmal angeblich die letzte
Genf (taz) – Auf scharfe Kritik bei den Regierungen Japans, Dänemarks und Australiens sowie von Greenpeace und anderen Umweltwelt- und Friedensorganisationen ist der jüngste Atomwaffentest Chinas in der Nacht zum Montag gestoßen. Er wurde nur wenige Stunden vor Wiederaufnahme der Verhandlungen über ein umfassendes Verbot von Atomwaffen-Testexplosionen auf der Genfer UNO-Abrüstungskonferenz durchgeführt. Die Regierung in Peking begründete ihren zweiten Atomtest in diesem Jahr – es war insgesamt der 45. seit 1964 – erneut mit dem „technologischen Rückschritt“ gegenüber den Atomwaffenmächten USA (über 2.000 Tests seit 1945) und Rußland (über 1.200 Versuche). Zeitgleich mit der Bekanntgabe des Versuchs kündigte China ein ab heute gültiges Testmoratorium an.
Nach Mitteilung einer seismologischen Meßstation in der australischen Hauptstadt Canberra hat der Atomtest um 3.49 Uhr MESZ stattgefunden. Die Stärke wurde mit ein bis fünf Kilotonnen und damit als verhältnismäßig gering angegeben. Sie führte zu Erschütterungen von 4,3 auf der Richter-Skala. Das chinesische Testgelände liegt in der Wüste von Lop Nor in der Provinz Xinjiang im Nordwesten des Landes. Nach Ansicht westlicher Beobachter dienen die Versuche der Entwicklung von leichteren und zugleich stärkeren Waffen. Vermutlich verfügt China über fast 300 Nuklearsprengköpfe.
Am Genfer Verhandlungstisch sorgte der Test für wenig Aufregung. Diplomaten wiesen darauf hin, daß China bereits im Januar angekündigt habe, es werde vor dem für spätestens Ende 1996 anvisierten Abschluß eines Verbotsvertrages noch zweimal einen Sprengsatz zünden. Für den konkreten Zeitpunkt der Versuchsexplosion unmittelbar vor den Genfer Verhandlungen gebe es jedoch keine technologischen, sondern nur politische Gründe. Peking wollte offenbar noch einmal signalisieren, daß es sich von niemandem unter Druck setzen läßt. Noch bis Anfang des Jahres hatte China den vor allem von der Clinton-Administration verfolgten Fahrplan für den Abschluß des Verbotsvertrages abgelehnt.
Die Diplomaten zeigten sich zuversichtlich, daß sich Chinas Moratoriums-Ankündigung als ebenso verläßlich erweist wie die Ankündigung der beiden Tests vom Januar dieses Jahres. Peking werde sich einer Verabschiedung des Vertragsentwurfes in seiner jetzt in Genf vorliegenden Fassung nicht mehr entgegenstellen – trotz verbleibender Bedenken gegen die Bestimmungen des Genfer Vertragsentwurfes für Vor-Ort-Kontrollen ausländischer Inspektoren bei Verdacht auf Vertragsverstöße. Diese kritisiert Peking nach wie vor als „widerrechtliches Eindringen in einen fremden Bereich“.
Die bislang für Donnerstag dieser Woche ins Auge gefaßte Verabschiedung des Vertrages durch die Genfer Abrüstungskonferenz und seine Übermittlung an die New Yorker Generalversammlung zur formalen Annahme Mitte September könnten sich allerdings noch verzögern. Die indische Botschafterin ließ gestern offen, ob sie eine Konsensentscheidung der Abrüstungskonferenz nicht doch noch blockiert. Grund ist die von der Regierung in Neu-Delhi abgelehnte Formel für das Inkrafttreten des Vertrages. Demnach müssen alle 45 Staaten, die im April 1996 über Atomreaktoren verfügten – darunter auch Indien –, den Vertrag ratifizieren, damit er in Kraft tritt. Indien hat aber bereits erklärt, daß es den Vertrag in seiner vorliegenden Form nicht unterschreiben wird, weil er keine Verpflichtung der fünf Atomwaffenmächte (USA, Rußland, Frankreich, Großbritannien, China) zur Abrüstung ihrer Arsenale enthält. Darüber hinaus verbiete er lediglich herkömmliche Atomwaffen-Testexplosionen, nicht aber andere Versuche und Experimente zur Entwicklung neuer Atomsprengköpfe. Andreas Zumach
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