Kein Maulkorb für Rechtsextremisten

Die Bundesregierung wollte den Neonazis Thomas Dienel und Heinz Reisz die Grundrechte aberkennen lassen. Das Bundesverfassungsgericht lehnte gestern die beiden Anträge ab  ■ Aus Karlsruhe Christian Rath

Das Bundesverfassungsgericht hat es abgelehnt, den beiden Rechtsradikalen Thomas Dienel und Heinz Reisz wichtige Grundrechte zu entziehen. Einen entsprechenden Antrag nach Artikel 18 des Grundgesetzes hatte die Bundesregierung 1992 gestellt.

Mit dem Antrag wollte der damalige Innenminister Rudolf Seiters (CDU) „ein deutliches Zeichen gegen rechtsextremistische Gewalt und Propaganda setzen“. Kurz zuvor waren bei einem Brandanschlag in Mölln drei Türkinnen ums Leben gekommen. KritikerInnen des Innenministers wiesen das Manöver angesichts der damaligen Asylhetze der CDU als „scheinheilig“ zurück.

Dem ehemaligen FDJ-Funktionär Dienel aus Thüringen war vorgeworfen worden, daß er seit Jahren gegen Juden und Ausländer agitiere und behaupte, in Auschwitz seien keine Menschen vergast worden. Der Kühnen-Vertraute Reisz aus Hessen hatte mehrfach die Juden als „Unglück Europas“ beschimpft und zur Jagd auf Ausländer aufgerufen. Das Bundeskabinett hatte deshalb beantragt, beiden zu verbieten, ihre politische Meinung öffentlich zu äußern und an politischen Versammlungen teilzunehmen.

Dies lehnte der Zweite Senat gestern einstimmig ab. Der Antrag der Bundesregierung sei „offensichtlich nicht hinreichend begründet“. Der Beschluß erfolgte ohne Begründung.

Gerichtssprecherin Uta Fölster wies darauf hin, daß strafrechtliche Verurteilungen gegen die beiden Rechtsradikalen inzwischen zur Bewährung ausgesetzt worden seien. Offensichtlich gingen auch die Strafgerichte nicht davon aus, daß von Meinungsäußerungen der Betroffenen „in Zukunft“ noch eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgehe. Schon vor zwei Monaten hatte Gerichtspräsidentin Jutta Limbach die Bundesregierung auf diese Auffassung hingewiesen. In Bonn wurden die beiden Anträge jedoch weder nachgebessert noch zurückgenommen.

Seit gestern steht Dienel erneut vor dem Landgericht Erfurt, weil er sich im September 1992 mit seinen Straftaten gebrüstet und mit der Sprengung von Asylbewerberheimen gedroht haben soll. Reisz war bei der hessischen Kommunalwahl 1989 als Kandidat der „Nationalen Sammlung“ aufgetreten. Nach dem Verbot der Partei war er Funktionär der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“, die inzwischen ebenfalls verboten wurde, und der Organisation „Deutsches Hessen“.

Schon 1960 und 1974 endeten entsprechende Verwirkungsanträge gegen den Altnazi Otto Ernst Remer und den Verleger der Nationalzeitung, Gerhard Frey, genauso ergebnislos.

Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums wertete die Anträge gegen Reisz und Dienel dennoch als Erfolg. Das Vorgehen der Regierung habe sich offenbar mäßigend auf die rechtsextreme Szene ausgewirkt.

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