: Wir haben alle unsere Vorlieben -betr.: "Im Fahndungskreuz: Domestoshosen", taz 30.7.96
Betr.: „Im Fahndungskreuz: Domestoshosen“, taz 30.7.
Es ist natürlich rechtlich unhaltbar, Menschen wegen ihres Aussehens aus der Stadt zu vertreiben. Brav werden die Gerichte also den Finger heben und „Dududu!“ zur Polizei und zum Innensenator sagen. Aber eben erst hinterher, wenn die vermeintliche Gefahr vorüber ist. Alles läuft christdemokratisch erwünscht.
Dazu fällt den Grünen Pädagogisches ein. Daß die Jugendlichen so lernen würden, wie man Menschen aufgrund ihres Aussehens „einteilt“, „kriminalisiert“ und „stigmatisiert“. Politisch korrekt dräut da hinter markigen Worten schon die spätere Selektion an der Rampe.
Der Text allerdings hinkt der Wirklichkeit hinterher. Das Einteilen und Stigmatisieren – the times they are changin'– beherrscht die Jugendszene längst selbst perfekt. Ob Punk, ob Skin, ob Raver, ob XXL-Hiphopper, ob Hillibillie oder Grunge-Anhänger – jede/r trägt – wenn auch keine Stammesnarben, so doch Stammesfarben. Jugendliche brauchen nicht Borttschellers Nachhilfe, um „zugehörig“ und „fremd“ zu erlernen.
Sind wir anders? Wen übermannen denn beim Anblick eines angesoffenen Skins Bruder-Mensch-Gefühle? Mit anderen Worten: Auch wir „Vernünftler“ teilen die Jugendlichen ein, auch wir abstrahieren nicht von der Kleidung, der Sprache und den „tribal attributes“. Wir haben jede Menge Vorurteile und Vorlieben. Im grün-alternativen Muff hat die Techno-Szene angelesenermaßen schlechte Karten – vermutlich, weil die Raver die falschen Drogen nehmen, Maschinenmusik hören, Spaß haben und sich – im Gegensatz zu gewissen Parteien – selbst vermarkten können. Das Schwachhauser CDU-Milieu mit dem Cheftrompeter Borttscheller hat eben die Punks auf dem Kieker.
Wir lernen: Borttscheller ist nicht Pestalozzi, pädagogische Prinzipien sind ihm scheißegal oder Hebuka, Gerichtsurteile taktisch einkalkuliert. Und, er will nicht am nächsten Morgen als begossener Pudel dastehen, wenn es unerwarteterweise doch klirren sollte. Wer sich an ihm aufreibt, der macht die CDU bei der nächsten Wahl zur stärksten Partei – nicht trotz, sondern wegen Bortscheller. Die andere Seite sollte sich besser auf umherirrende Zementwerke kaprizieren, auf bedrohte Waller Kleingärtner, auf seltsame Subventionen für senatseigene Containerschiffe und auf Sparkassenangestellte, die über Nacht Bankiers wurden. Nicht aber die CDU durch flachwässrige Statements der gutmenschlichen Sorte profilieren.
Klaus Jarchow (Grüne)
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