Gewerkschaft schweigt sich aus

■ Die Ermittlungen gegen den ehemaligen Chef der IG-Metall, Franz Steinkühler, werden intensiviert

Frankfurt/Main (taz) – Auch zwei Tage nach der spektakulären Durchsuchung der IG-Metall- Zentrale schweigen sich alle Beteiligten aus. Die Staatsanwaltschaft bestätigte gestern lediglich den Vorgang. Und auch der Sprecher der IG Metall, Jörg Barczynski, war nicht bereit, Näheres über Durchsuchungs- und Beschlagnahmeaktion zu berichten. Man habe der Staatsanwaltschaft „jede Hilfe bei der Aufklärung“ der Affäre angeboten, sagte Barcynski schlicht.

Die Affäre? Das sind die vielleicht nur dilettantischen, vielleicht aber auch kriminellen Immobiliengeschäfte der größten Arbeitnehmerorganisation der Welt. In diesem Zusammenhang hat die Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen IG-Metall-Vorsitzenden Franz Steinkühler und gegen den, inzwischen zurückgetretenen, Hauptkassierer der Gewerkschaft, Werner Schreiber, Ermittlungsverfahren eingeleitet. Als Steinkühler noch „der Boß“ war und Schreiber sein Kassenwart, erwarb die IG Metall für 210 Millionen Mark zwei Bürotürme im Frankfurter Stadtteil Niederrad. Wert nach Expertenschätzung: 90 Millionen Mark. Als Aufschlag zahlte Schreiber eine Maklercourtage von vier Prozent aus – bei branchenüblichen zwei Prozent. Außerdem sollte der IG-Metall-Vorstand ein eiges Haus erhalten. Dieses war Steinkühler und Schreiber direkt vom Eigentümer angeboten worden. Aber auch hier zahlte die IG Metall zusätzlich überhöhte Maklerprovisionen an das Maklerbüro Jones Lang Wootton. Dies überwies die Hälfte der Courtage an den BWL-Studenten Marc Scharmann. Er war offenbar der Strohmann eines Architekten, der für die IG Metall arbeitete – ein Freund Steinkühlers.

Jener Architekt, so heißt es in einem Bericht der internen IG- Metall-Untersuchungskommission, habe über alle notwendigen Informationen verfügt, um mit der Gewerkschaft die für die IG Metall desaströsen, für Scharmann und den Architekten jedoch lukrativen Immobiliengeschäfte abwickeln zu können. „Inkassobüro“ nannte der Vorsitzende der Untersuchungskommission, der Frankfurter Oberlandesgerichtspräsident Horst Henrichs, die gewerkschaftsnahen Abzocker.

Ob IG-Metall-Kassenwart Schreiber tatsächlich nur „unerfahren“ und „vielleicht zu naiv“ gewesen sei, wie leitende IGM-Mitarbeiter heute glauben machen wollen, oder ob Schreiber und andere Gewerkschaftler bei den dubiosen Geschäften mitverdient haben, ist eine (noch) offene Frage. Die Staatsanwaltschaft hat mit der Beschlagnahmung die Ermittlungen intensiviert.

Die interne Untersuchungskommisson jedenfalls lastete dem damaligen Vorsitzenden Steinkühler die Hauptschuld an dem Desaster an: „Es lief nichts ohne Steinkühler und schon gar nichts gegen ihn.“ Der Arbeit der Kommission habe Steinkühler „das Leben so schwer wie möglich gemacht“. Der „Boß“, der über eine Aktienaffäre stolperte, habe bis zuletzt selbst Tatbestände geleugnet, die nicht mehr in Abrede zu stellen gewesen seien.

Und Steinkühlers damaliger Vize Klaus Zwickel? Den treffe kein konkreter Schuldvorwurf, sagte Henrichs. Allenfalls eine allgemeine Mitschuld im Rahmen der Gesamtveranwortung der Vorstandsmitglieder der IG Metall. Daß Zwickel zur Amtszeit von Steinkühler der Geschäftsführer der IGM-Tochtergesellschaft war, die für die Immobiliengeschäfte der Gewerkschaft verantwortlich zeichnete, habe in diesem Zusammenhang „keine Bedeutung“, sagte Henrichs. Klaus-Peter Klingelschmitt