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Ein explosives Gemisch

Mit Wasserstoff betriebene Kraftwerke könnten die fossilen Energieträger schonen  ■ Von Wiebke Rögener

An den lauten Knall im Chemiesaal wird sich mancher noch aus seiner Schulzeit erinnern: Wenn Wasserstoff und Sauerstoff miteinander reagieren, wird Energie frei. Übrig bleibt ein bißchen Wasser. Kontrollierter als in dieser Knallgasreaktion kann die Energie in einer Brennstoffzelle gewonnen werden. Chemische Energie wird darin, mit einem Wirkungsgrad von über 60 Prozent, unmittelbar zu elektrischer Energie. Der benötigte Wasserstoff kann einerseits in Photovoltaikanlagen mittels Sonnenenergie aus Wasser gewonnen werden, andererseits aber auch aus Erdgas. Sowohl für die längerfristige Umstellung auf Solarenergie als auch für die sparsamere Nutzung fossiler Energieträger ist daher die Entwicklung praxistauglicher Brennstoffzellen von zentraler Bedeutung.

In Deutschland arbeiten hieran vor allem die Konzerne Daimler- Benz und Siemens sowie das Forschungszentrum Jülich. Anfang 1996 stellten die Jülicher Wissenschaftler ein in Deutschland bisher nicht verfolgtes Konstruktionsprinzip vor. Dieses gehört zum Typ der Festoxid-Brennstoffzellen (SOFC: Solid Oxide Fuel Cell). Hierbei sind zwei Elektroden, an denen die chemische Reaktion stattfindet, durch eine Schicht keramischen Materials getrennt. Bei anderen Brennstoffzellentypen – wie sie etwa in der Raumfahrt oder für U-Boote eingesetzt werden – befindet sich statt dessen entweder Lauge, Phosphorsäure oder eine Salzschmelze zwischen den Elektroden. All diese Materialien sind sehr aggressiv und stellen daher hohe Anforderungen an die verwendeten Werkstoffe. Die sauberen Keramikplatten der SOFCs haben dagegen andere Nachteile: Sie sind zerbrechlich, teuer und müssen auf Temperaturen von etwa 1.000 oC erhitzt werden, um für die Sauerstoffionen durchlässig zu sein. Eine Brennstoffzelle, die bei solchen Temperaturen arbeitet, erfordert für die umgebenden Anlagenteile hochtemperaturbeständige und damit sehr teure Materialien. Bisher bestand eine SOFC aus einer etwa 0,2 mm dicken Platte des keramischen Werkstoffs mit dünnen Elektrodenschichten auf beiden Seiten. Viel dicker durfte die Keramikplatte nicht sein, sonst würde der elektrische Widerstand zu groß. Viel dünner aber auch nicht, sonst zerbricht die Zelle zu leicht.

Die Jülicher Brennstoffzelle zeigt einen Ausweg aus diesem Dilemma: Als tragendes Element dient hier nicht die Keramik, sondern eine Elektrode, auf die nur eine hauchdünne Keramikschicht aufgebracht wird. Solche SOFCs können bisher etwa sechsmal so groß wie herkömmliche Typen hergestellt werden und die Fläche eines DIN-A4-Blatts erreichen. Sie sind bei Temperaturen von unter 800 oC zu betreiben. Anlagekomponenten können daher aus deutlich billigeren Materialien bestehen. Die Serienfertigung solcher Brennstoffzellen ist damit einen Schritt näher gerückt. Stapel derartiger Zellen, sogenannte Stacks, wären beispielsweise geeignet, in dezentralen Kraftwerken mit minimalen Emissionen Energie zu liefern.

Was zu Jahresbeginn noch stolz der Presse vorgeführt wurde, ist jetzt in der technologischen Weiterentwicklung durch fehlende Finanzmittel gefährdet. Denn die nächsten Schritte sind teuer: Prüfstände etwa, die die Lebensdauer der SOFCs testen, kosten um die 100.000 Mark. „Und wir brauchten vielleicht zehn davon“, so der Leiter des Forschungsvorhabens, Hermanns Kabs. Das klingt nach viel Geld. Verglichen aber mit den rund 1,5 Milliarden Mark, die die Entwicklung eines neuen Autos mit herkömmlicher Technik kostet, sind es eher Peanuts. Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie sieht sich jedoch außerstande, die Arbeiten auch nur im bisherigen Umfang weiter zu finanzieren. Kabs sieht damit die weiteren Entwicklungsarbeiten zur technischen Umsetzung des Jülicher SOFC-Konzepts in Frage gestellt. Dabei scheint es sich hier doch endlich einmal um das zu handeln, was Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers im Verein mit Industrieverbänden allenthalben fordert: anwendungsorientierte Forschung mit „frühzeitiger Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft“. Sie hat nur einen Fehler: Sie wird nicht innerhalb der nächsten zwei oder drei Jahre ein am Markt konkurrenzfähiges Produkt liefern. „So acht bis zehn Jahre kann es schon noch dauern“, schätzt Hermann Kabs.

Entwicklungsarbeiten an neuen Techniken haben offenbar nur zwei Chancen: Entweder sie finden wunderbarerweise Lösungen, die in kürzester Zeit am Markt verkäuflich sind, oder aber sie führen wenigstens zu PR-trächtigen Vorzeigemodellen. Zur letzten Kategorie scheint das kürzlich von Daimler-Benz vorgestellte Fahrzeug mit Brennstoffzellenantrieb, NECAR II genannt, zu gehören. Mit einer raschen Serienreife rechnet hier niemand. Aber die Bilder vom wasserstoffgetriebenen Mercedes am Brandenburger Tor gingen um die Welt.

Das Bundesforschungsministerium jedenfalls scheint entschlossen, auch die Forschungsförderung aus öffentlichen Mitteln noch stärker als bisher an kurzfristigen Markterfordernissen zu orientieren. Nicht die Frage nach dem langfristigen gesellschaftlichen Bedarf wird gestellt, sondern ausschließlich die, ob eine Entwicklung sich kurzfristig rechnet. Daß eine solche Herangehensweise die Energieprobleme der Zukunft lösen kann, darf bezweifelt werden.

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