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Arafats Polizei erschießt Palästinenser

■ Protest nach Foltertod eines Palästinensers: Demonstranten befreien Hamas-Anhänger aus dem Gefängnis von Tulkarem

Tel Aviv (taz) – Hunderte Palästinenser haben am Wochenende in Nablus und Tulkarem im Westjordanland gegen die palästinensische Polizei demonstriert. Anlaß war der Tod eines palästinensischen Häftlings im Gefängnis von Dschneid bei Nablus. Er starb an den Folgen von Folter. Bei den Protesten gab es ein weiteres Todesopfer: Der 44jährige Ibrahim Hudeida starb am Freitag durch Schüße der palästinensischen Polizei auf Demonstranten vor dem Gefängnis Tulkarem. Sechs Zivilisten wurden verletzt.

Der Chef der palästinensischen Autonomieverwaltung, Jassir Arafat, setzte eine Untersuchungskommission ein. Ein Militärgericht in Jericho verurteilte drei Polizeioffiziere, die den Getöteten gefoltert hatten, zu 17 und 10 Jahren Gefängnis. Am Freitag verhängten die palästinensischen Behörden über Tulkarem eine Ausgangssperre. Die israelische Armee erklärte Nablus und Tulkarem zum geschlossenen Militärgebiet, das Israelis nicht betreten dürfen. Auch für Journalisten sind die Städte damit unzugänglich.

Die Demonstranten verlangten die Freilassung palästinensischer Administrativhäftlinge, die in der vergangenen Woche in den Hungerstreik getreten waren. Obwohl palästinensische Polizisten vom Gefängnisdach schossen, gelang es am Freitag zahlreichen Demonstranten, in das Gefängnis von Tulkarem einzudringen. Sie befreiten 35 Männer, die wegen ihrer angeblichen Zugehörigkeit zur islamistischen Hamas festgehalten wurden.

Am Samstag gab die palästinensische Polizei bekannt, alle befreiten Gefangenen hätten sich selbst zurückgemeldet und seien wieder in Haft. Ihre Rückkehr soll das Resultat langer Verhandlungen zwischen führenden Vertretern der palästinensischen Behörden und Hamas gewesen sein. Gleichzeitig hat die palästinensische Polizei am Wochenende zahlreiche Personen in Tulkarem und einem angrenzenden Flüchtlingslager verhaftet. Angeblich standen sie an der Spitze der Demonstration und gehören zu Hamas und anderen Oppositionsgruppen.

Bassam Eid, ein Vertreter der Jerusalemer „Palästinensischen Gesellschaft zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt“, führt die Unruhen in Tulkarem auf den Hungerstreik der Gefangenen zurück, die gegen unmenschliche Haftbedingungen protestieren. An dem Hungerstreik, der am vergangenen Dienstag begann, hatten sich über 100 Gefängnisinsassen beteiligt. Gegen die seit März inhaftierten Palästinenser läuft kein Gerichtsverfahren; einziger Haftgrund ist ihre angebliche Nähe zu Hamas. Nach Aussage palästinensischer Menschenrechtsorganisationen leiden sie Hunger und müssen in schmutzigen und überfüllten Zellen hausen.

In einem am Samstag verteilten Hamas-Flugblatt wird die palästinensische Bevölkerung zum Kampf gegen die Folter „in Arafats Gefängnissen“ aufgerufen. Gleichzeitig ergeht der Ruf, „Schläge gegen zionistische Ziele zu führen“, als Reaktion auf „die Verbrechen der palästinensischen Behörde und ihrer Folterknechte“. Amos Wollin

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