: Wer nicht ausbildet, soll zahlen
■ Rau will Ausbildungsabgabe für Firmen ohne Lehrling
Bonn/Düsseldorf (dpa) – SPD und DGB haben am Wochenende ihre Forderung nach einer Ausbildungsabgabe bekäftigt, die alle Betriebe zahlen sollen, die keine Lehrlinge ausbilden. Diese Abgabe wird zentrales Thema auf dem nächsten SPD-Bundesparteitag im November sein, sagte der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Johannes Rau gestern. Dort werde die Partei entscheiden, welches Instrument am besten geeignet sei, zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Rau hatte am vergangenen Freitag die Verweigerungshaltung der Großindustrie scharf kritisiert, die vorwiegend an einer guten Börsennotierung interessiert sei. Er lobte dangegen die vorbildlichen Anstrengungen von Mittelstand und Handwerk. Diese Lastenverteilung sei jedoch „in hohem Maße ungerecht und schädlich“.
Regina Görner, Mitglied im geschäftsführenden DGB-Vorstand, wies in Bild am Sonntag darauf hin, daß zwei Drittel der Unternehmen überhaupt nicht ausbildeten, wohl aber von gutausgebildeten Fachkräften profitierten. Diese Unternehmen müßten an den Ausbildungskosten beteiligt werden. „Es muß endlich Schluß sein mit der Abstaubermentalität bei der Ausbildung.“
Insgesamt suchen in diesem Jahr 620.000 Jugendliche eine Lehrstelle. Wenige Wochen vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres registrierten die Arbeitsämter Ende Juni noch immer 240.000 fehlende Lehrstellen. Bundeskanzler Helmut Kohl erinnerte inzwischen die Vorstandsvorsitzenden großer deutscher Unternehmen in Telefonaten an ihre Verantwortung für die Ausbildung. Sanktionen gegen Betriebe, die keine Lehrstellen anbieten, will die Bundesregierung jedoch nicht unterstützen.
Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages, Hans Peter Stihl, lehnte eine solche überbetriebliche Umlagefinanzierung der Ausbildung nachdrücklich ab. Er wehrte sich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung außerdem gegen die negativen Lehrstellenprognosen. Den Gewerkschaften warf er vor, die Zahlen fehlender Lehrstellen unzulässig hoch zu rechnen. „Angeblich sollen dieses Jahr 130.000 Lehrstellen fehlen. Ich sage voraus, daß am Ende des Jahres sich keiner an diese Fehlprognose erinnern will“, sagte Stihl. Bis zum Jahresende könne bei den Betrieben der Industrie- und Handelskammer mit einem weiteren Plus von Ausbildungsplätzen gerechnet werden.
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