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Wieder über zehn Prozent Arbeitslose

Über 3,9 Millionen Menschen im vergangenen Juli ohne Job. „Anhaltend schwache Tendenz“ auf dem Arbeitsmarkt, meint lapidar Bernhard Jagoda  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Der Lichtblick war von kurzer Dauer. Nachdem im Juni die Arbeitslosenquote in Deutschland erstmals in diesem Jahr unter die 10-Prozent-Marke gefallen war, lag sie Ende Juli wieder bei 10,2 Prozent. In Zahlen bedeutet dies 3.911.613 Arbeitslose, das sind 127.000 mehr als im Juni und gar 321.000 mehr als vor einem Jahr. „An der schwachen Tendenz hat sich nichts Wesentliches geändert“, kommentierte Bernhard Jagoda, Präsident der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA), lapidar die Situation auf dem Arbeitsmarkt.

Urlaubsbedingte und quartalsgebundene Entlassungen, Betriebsferien sowie das Ende der betrieblichen und schulischen Ausbildung machte Jagoda für den „jahreszeitlich üblichen“ Anstieg der Arbeitslosenzahlen verantwortlich: im Westen um 98.800 auf nunmehr 2,76 Millionen und im Osten um 28.200 auf 1,15 Millionen. Das entspricht Arbeitslosenquoten von 9,0 und 15,4 Prozent. Würde man diese „saisonalen“ Einflüsse herausrechnen, stünde dem Anstieg im Westen um 6.000 ein Rückgang im Osten um 11.000 gegenüber, der allerdings nur auf den vermehrten Einsatz der Arbeitsmarktpolitik zurückzuführen ist.

Arbeitsbeschaffungs- und Fortbildungsmaßnahmen und Kurzarbeit stützen den deutschen Arbeitsmarkt in einer Größenordnung von 1,39 Millionen. Die von der Bundesregierung geplanten Kürzungen bei der Arbeitsmarktpolitik im Osten lehnte Jagoda ab: „ABM sind kein Instrument zur Statistikverschönerung, sondern eine Brücke zum ersten Arbeitsmarkt.“ – Besondere Sorge bereitet dem BA-Präsidenten der Ausbildungsstellenmarkt. Trotz vielfältiger Aktivitäten und Appelle ist die Zahl der registrierten Lehrstellen rückläufig, während die der gemeldeten Bewerber zunahm.

Das gilt im verschärften Maße für die neuen Bundesländer. Dort gab es Ende Juli bei den Arbeitsämtern gerade mal noch 8.500 unbesetzte Lehrstellen, ein Viertel weniger als im Vorjahr. Gleichzeitig waren aber noch 60.900 nicht vermittelte Bewerber registriert, elf Prozent mehr als im Jahr zuvor. „Die Chancen für bisher nicht vermittelte Bewerber, noch eine Lehrstelle zu finden, sind deutlich schlechter als vor einem Jahr“, resümmierte Jagoda. Er forderte die Arbeitgeber auf, Lehrstellen anzubieten, und die Jugendlichen, beruflich und regional flexibel zu sein. Mit gebührenfreien Service- Nummern, Bewerberanzeigen in Tageszeitungen und Betriebsbesuchen wollen die Arbeitsämter „zum Endspurt“ ansetzen.

Das Tempo der Arbeitsplatzvernichtung wird immer schneller. Laut Statitischem Bundesamt gingen von Dezember 1995 bis Mai 1996 monatlich 30.000 Stellen verloren. Zu Beginn des zweiten Halbjahres 1995 waren es noch monatlich 20.000 Stellen gewesen. Zur Zeit, so die Statistik, gehen 34,5 Millionen Menschen einer Erwerbstätigkeit nach. Das sind 300.000 weniger als vor einem Jahr.

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