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Der taz-Sommerroman: "Dumm gelaufen" - Teil 22

Das zweite eingesprungene Kapitel. Der Spion, der aus dem Wartezimmer kam!

Ein Spion, der für das EKG und das EEG arbeitet. Zu Weihnachten hat Spion nur einen Wunsch: eine Herzrhythmusmaschine.

Spion hatte ein zweifelhaftes Zuhause. Er lebte fünf Tage in der Woche im Wartezimmer eines Neurologen. Seine Herzphobie hatte ihn in der Praxis eingerichtet. Immer von 9.00-16.00 Uhr. Am Morgen schluckte Spion aus der Hand der Schwester einen Tranquilizer. Und wenn die Panik kam, kam auch der Neurologe. Mit ein bißchen Feldenkreis. Einer kontraprogressiven Muskelentspannung. Atemübungen. An den Wochenenden lungerte Spion vor der Tür der psychiatrischen Anstalt in Eilbek, in nur zehn Metern Abstand, Zeit genug für alle Ärzte der Station, seinen psychosomatischen Herzinfarkt abzuwenden. Spion hatte das Vertrauen in sein Herz verloren; es hatte diesen gemeinen Plan. In einem unbeobachteten Augenblick wollte es Spion verlassen. Seine eigene Wohnung hatte Spion seit seinem Nervenzusammenbruch nicht mehr betreten. Da hatte ihn der Tod überraschend mit einer Herzattacke besucht.

Für Brook saß Spion im Wartezimmer an einer der besten Quellen. Auf den Stühlen wurden von Angst zu Angst Geschichten gereicht. An den guten, also schlechten Tagen für die Patienten, handelte sich Spion bis zu fünfzig Geschichten ein. Hallo, Spion! Hallo, Kommissar! Hast du einen Grund zum Klatschen? Es gibt immer einen Grund zum Klatschen! Gut, laß mich dein Herz hören! Auf Sie ist Verlaß, Kommissar! Spion öffnete sein Hemd. Auf der freigelegten Brust schöpften die Haare nach Luft. Kommissar Brook stülpte ein Ohr über die eine Brustwarze von Spion. Andere Patienten sahen weg. Andere Patienten sahen zu. Andere Patienten reihten sich in die Schlange vor Spion ein; im Hoffen auf das Ohr von Brook. Brook nahm sein Ohr wieder zu sich. Alles in Ordnung? fragte Spion in Furcht. Alles in Ordnung! beruhigte Brook den Spion. Spion atmete in Glück und Sicherheit; das mußte ihm Brook immer geben, ein paar Stunden ohne Angst für ein paar Informationen. Die wartenden Patienten zogen sich enttäuscht auf ihre Stühle zurück. Und Brook zog sich enttäuscht aus dem Wartezimmer zurück. Spion hatte nur eine neue Statistik über die Orgasmen von Lady Di anzubieten! Von wegen altes Eisen!

Neues aus dem Dienstleistungsgewerbe, ein Menü aus Hosen, Hemden und auch Staub und Kitt, und manchmal muß auch ein Kommissar Glück haben.

Brook ging denken. In einem Imbiß. Sein Mund war voll Currywurst. Neben ihm wässerte der Anschein von Kaffee in einem Plastikbecher. Brook investierte sein Glück in einen Monarchen, einen Geldspielautomaten. Seine linke Hand diente dem Spiel, die rechte blätterte durch das Tagesblatt. Das Spiel interessierte Brook nicht. Schließlich war das Glück keine Aktie und er kein Spieler, aber die Anzeige in dem Tagesblatt dirigierte seine Blicke von Wort zu Wort.

Spazierengehen mit Repo! Gemeinsam entdecken, aussuchen und dann einkaufen!

Neueste Studien haben es ans Licht gebracht. Hamburgs Straßen sind eine Gefahr für Leib und Leben! Immer mehr ältere Mitbürger trauen sich in dieser Zeit nicht mehr vor die Tür. Ist das im Alter überhaupt noch möglich!? Rentner aßen ihre Kleidung: Hamburg. Sechs Hamburger Rentner haben sich aus Angst vor der steigenden Kriminalität in St. Georg sechsundreißig Tage in einer Wohnung eingeschlossen und überlebt, weil sie ihre Kleidung, den Kitt aus den Fensterrahmen und den Staub vom Fußboden aßen. Die Rentner, die von einem Nachbarn entdeckt wurden, kamen sofort in eine Klinik.

(Fortsetzung folgt)

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