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„Euch glaubt sowieso niemand“

Cinemaxx-Baustelle am Dammtor gut bewacht – zu gut? Anzeige erstattet gegen Wachmann, der Homosexuellen verprügelt haben soll  ■ Von Elke Spanner

Ein glanzvolles Kino soll es einmal werden, aber noch liegt die Baustelle des Cinemaxx-Kinos nachts im Halbdunkel. Taschenlampen flackern, wenn private Wachleute das Gelände umkreisen. Die Baustellen-Wächter des Sicherheitsdienstes der Firma Seck Service GmbH laufen mit ihrem Hund den Bauzaun entlang, leuchten mit Taschenlampen auch die Grasfläche davor ab. Der Strahl reicht weit in den Gustav-Mahler-Park hinein. Erschrocken huschen Hasen unter das Gebüsch.

Auch Jens L. erschrak am vergangenen Samstag. Er spazierte nachts über die schmale Grünfläche zwischen Dammtor und Hauptbahnhof, die auch als Treffpunkt von schwulen Männern bekannt ist, bis ihm plötzlich zwei Wachschützer den Weg versperrten. Vom Licht der Taschenlampe geblendet, konnte er sein Gegenüber nicht erkennen und antwortete auf die harsche Frage „Was machen Sie hier?“ kurz mit: „Das geht Sie gar nichts an.“ Im nächsten Moment traf ihn ein harter Faustschlag im Gesicht, begleitet von der Bemerkung: „Zeig uns ruhig an. Euch Scheißschwulen glaubt doch sowieso niemand.“

Mit „schlichten Pöbeleien“ machte auch der schwule Michael K. jüngst Erfahrungen – ebenfalls in der Samstag nacht, ebenfalls im Gustav-Mahler-Park. Auf seiner Fahrradfahrt durch den Park wurde auch er von den Seck-Wachschützern aufgehalten und geblendet. Er hörte hämisches Kichern. „Wäre ich weitergefahren, hätten sie mich angegriffen“, glaubt Michael K., der aus Angst vor weiteren Angriffen umkehrte.

Was Jens L. als schwulem Mann widerfuhr, ist kein Einzelfall – daß er zur Polizei ging und Anzeige erstattete, hingegen doch. Fast 90 Prozent aller Opfer antischwuler Gewalt erstatten keine Anzeige, allein in Hamburg bleiben rund 3500 homophob motivierte Gewalttaten jährlich ungeahndet. Denn auch auf den Revieren sind Schwule oft Sticheleien, Witzen oder auch Tätlichkeiten ausgesetzt, weiß Jörg Rowohlt vom „Schwulen Überfalltelefon“ ( Der Bedarf an Einrichtungen, die gegen antischwule Gewalt arbeiten, ist offensichtlich. Dennoch kann das Überfalltelefon nur Rudimente des Betreuungsangebots organisieren, das der SVD ursprünglich geplant hatte – es fehlt an Geld und ehrenamtlichen Kräften.

Nachdem Jens L. sich an das Überfalltelefon gewandt hatte, schrieben dessen Mitarbeiter den Sicherheitsdienst Seck an. Der schwulenfeindliche Wächter sei fristlos gekündigt worden, erfuhren sie dort von einer Angestellten. Das wollte der Seck-Geschäftsführer gegenüber der taz weder bestätigen noch dementieren. Er verweigerte jegliche Auskunft mit den Worten: „Die Sache ist erledigt“. Für Jens L. wohl noch lange nicht: Er ist wegen einer Schädelprellung krankgeschrieben.

Heute beleuchtet „Radio Act Up“ um 18 Uhr im Offenen Kanal die Arbeit des Überfalltelefons.

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