: Warum immer mir? Von Klaudia Brunst
Natürlich denke ich nicht immer daran. Wenn es mir ansonsten ganz gutgeht, kann es sogar vorkommen, daß es mir gar nicht auffällt. Und ich muß bei Licht besehen auch zugeben, daß es ja nicht wirklich immer vorkommt. Aber wenn es dann mal wieder soweit ist, fallen mir all die vielen Male ein, wo es mir (eben doch immer, immer mir!) schon passiert ist: Ich muß immer die Klorollen wechseln. Egal, wo. Ob zu Hause, in der taz, im Café, sogar in guten Restaurants, wo sie nicht diese riesigen Industrierollen haben, sondern die kleinen, wie man sie auch privat benutzt. Ich komme, und sie ist alle. Daß heißt, oft ist sie noch gar nicht alle, sondern nur fast. Das sind dann die ganz niederschmetternden Situationen. Gegen leere Klopapierhalter kann man ja noch präventiv vorgehen. Da kann man sich vorher einfach selbst eine Ersatzrolle organisieren. Weil das Fehlen gewissermaßen transparent ist. Für jeden sichtbar. Leicht zu beheben.
Aber gegen fast leere Rollen ist praktisch kein Kraut gewachsen. Es ist immer dasselbe: Du gehst zur Toilette, checkst die drei stillen Örtchen der Redaktion extra vorher ab, freust dich, weil doch noch in einer eine Rolle hängt, erledigst, was du vorhattest, greifst zur Rolle – und schwubs! hast du die letzten Blättchen in der Hand und mußt die nächste einhängen.
Ich habe mit den Jahren ein ziemlich gutes Auge für diese Problem entwickelt. Es gibt da nämlich feine Unterschiede. Bei den billigen, einfachen Rollen ist es noch relativ einfach. Da kann man die Papprolle ja schon fast durchscheinen sehen. Aber für die teuren, dreilagigen mit den Druckmustern drauf braucht man Erfahrung. Die sehen nämlich noch ganz lange ganz voll aus. Weil sie eben dicker sind. Und dann denkt man „Glück gehabt!“ – und steht am Ende doch wieder dumm da.
Ich hatte mal einen Komilitonen, der hat immer behauptet, in der Mensa das Tablett mit dem kleinsten Stück Fleisch abzubekommen. Das sei so sicher wie Murphy's Law, hat der immer gesagt. Egal, wann er sich in die Schlange am Fließband stellte, wenn er dran war, kam das Tablett mit dem kleinsten Schnitzel. Und das mußte er dann nehmen, weil die Kantinenfrauen es nicht duldeten, daß man die Ordnung durcheinander bringt. Ich habe das zuerst für Quatsch gehalten und ihm sogar einmal angeboten, kurz bevor wir dran waren, einfach die Plätze zu tauschen, so daß ich dann sein kleines Schnitzel kriegen würde und er mein normal großes. Aber es hat wirklich nicht funktioniert. Er bekam wieder das kleine, das – hätten wir nicht getauscht – eigentlich für mich bestimmt gewesen wäre, und ich hatte das große auf dem Teller.
Man kann sein Schicksal nicht selbst bestimmen, meinte er da traurig, und langsam glaube ich, daß er recht hat. Ich kann gegen die leeren Rollen nämlich auch nichts tun. Selbst wenn ich auf der Raststätte die Frau hinter mir vorlasse, kann ich sicher sein, daß die dann die letzten Blättchen verbraucht, und mir nur noch ein paar winzige Anstandsschnipsel übrigläßt.
„Geht mir genauso!“ meinte mein schwuler Freund mitfühlend, „Und wenn man wirklich mal ein Klo mit voller Rolle erwischt, dann hat sie mit Sicherheit irgend so ein Depp verkehrt herum eingehängt, also mit dem Gesicht zur Wand.“
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