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Oberster Grüner in Bayern tritt ab

■ Finanzielle Probleme im Nebenberuf als Unternehmer eingeräumt. Rücktritt soll "Schaden von der Partei" abwenden. Auch Kovorsitzende Hoffmann hört auf. Parteiführung schon länger in der Kritik

Berlin/München (AP/dpa) – Der Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Bayern, Kurt Haymann, ist zurückgetreten. Wie der 43jährige Realpolitiker gestern in München erklärte, legte er sein Amt bereits am Donnerstag im Landesvorstand mit sofortiger Wirkung nieder. Er begründete seinen Schritt vor allem mit massiven finanziellen Problemen aus seiner Tätigkeit als Unternehmer. Haymann hatte sein Büro nicht ganz aufgegeben, weil sein Job als Parteivorsitzender auch wegen des bei den bayerischen Grünen geltenden Rotationsprinzips befristet war.

Seine gleichberechtigte Partnerin, die Kovorsitzende Barbara Hoffmann, bedauerte die Entscheidung. Sie muß ihren Posten bei den nächsten Vorstandswahlen wegen der auf vier Jahre begrenzten Amtszeit abgeben.

Die Neuwahl des Vorstands soll auf einem vorgezogenen Parteitag im November stattfinden. Haymann erklärte auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz, sein Rücktritt habe rein persönliche Gründe. Durch seine Beteiligung an einer Kultur- und Freizeitanlage in Nordrhein-Westfalen, die 1994 in Konkurs gegangen war, habe er erhebliche Schulden angehäuft. Mit seinem Rücktritt wolle er verhindern, daß der Ruf der Partei, an die seit jeher besonders hohe moralische Ansprüche gestellt würden, Schaden nehme. Daneben hätten sich auch bei seiner Arbeit als Unternehmensberater für kommerzielle Sportstätten finanzielle Schwierigkeiten ergeben, so Haymann. All dies habe seine Gesundheit und sein Privatleben schwer belastet.

Seine Amtskollegin Barbara Hoffmann soll nun bis Ende November den Landesverband allein führen. Danach scheidet die 42jährige Krankenschwester wegen der Rotation aus dem Amt aus und kehrt in ihren Beruf zurück. Hoffmann äußerte großen Respekt vor der Entscheidung Haymanns, der einen Schaden für die Gesamtpartei ausschließen wolle.

„Ich lege Wert auf die Feststellung, daß es sich weder um einen Skandal noch eine Affäre handelt und daß sich die bayerischen Grünen in ihrer Vorgehensweise fundamental von anderen Parteien unterscheiden.“

Haymann, der als linker Realpolitiker gilt, war erst im Januar 1995 für zwei Jahre an die Spitze des Landesverbandes gewählt worden. Seine Kollegin Barbara Hoffmann steht schon seit 1993 an der Spitze der bayerischen Bündnisgrünen. Die Parteibasis hatte schon seit längerem deutliche Kritik an den beiden geübt. Auf dem Ansbacher Landesparteitag im Mai warfen zahlreiche Delegierte dem Vorstand vor, politisch nicht schlagkräftig genug zu sein.

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